Linke Wade, 30. April 2002

Kaum sind die Startschwierigkeiten überwunden, treten erste Gebresten auf. Selbstverschuldet allerdings.

Durness Sizilien 5
Schafe gucken neugierig und hüpfen dann erschreckt davon.

Tiefschlaf, jeder Knochen sucht Ruhe. Ein Wasserfall neben dem Haus, er hämmerte mich in den Schlaf. Am Morgen sitzen im grossen, von besseren Zeiten träumenden Speisesaal zwei Männer in Wanderschuhen und Wanderlaune. Sie wischen sich das Eigelb vom Maul und starten zur Tour. Dann bin ich allein, mit Cornflakes, einem Kaffee, einem Spiegelei und diesen zwei schrecklichen Würsten, die wohl nur Gäste, sicher aber nicht die Wirtsleute essen. Sonst würden sie die Messer schleifen. Sehr diskreter Wirt, er schaut manchmal in den grossen Speisesaal.

Er sagt beim Abschied im wesentlichen nur, es gehe jetzt zweihundert Meter hinauf, dann hätte ich eine wunderbare Aussicht. Das beruhigt, nur wusste ich noch nicht, dass die Schotten Höhenmeter meinen, wenn sie von Metern reden. Die zweihundert Höhenmeter brauchten eine Länge von vier Meilen. Aber der Ausblick war wunderbar, unter mir eine Hochebene schöner als die Greina.

Ein wunderschöner Ort, Loch Taff. Ich habe mich hingesetzt, den Zeichenblock hervorgenommen und die Landschaft mit dem verschneiten Ben Nevis im Hintergrund abgezeichnet. Die Möwen, weisse Punkte auf einer Halbinsel, haben höhnisch gelacht und geschrieen. Es gab da oben nur wenig Farben zu verwenden: dunkelgrün, braun, warmes Grau, blau für den See und ganz schwach auch das helle Grün für das zart spriessende Grün der Birken. Erst fingernagelgross sind die Blättchen. Schafe guckten neugierig, hüpften erschrocken auf, flohen bei der kleinsten Bewegung, beim Griff nach dem Teebecher schon.

Lustige Sprünge

Dann fand ich einen kleinen Vollgummiball, grün-gelb-rot-blau geringelt und ich kickte ihn mit meinen schweren Schuhen vor mich her, freute mich, wie er von Strassenrand zu Strassenrand hüpfte und wenn ein selten vorbeifahrendes Auto über ihn weg fuhr, machte er lustige Sprünge. Doch ich hätte das Spiel lassen sollen. Kickte einmal in den Teer, und das zuckte zünftig in der linken Wade. Überquerte eine Schlucht, stieg bergauf, und da begann sich der Schmerz heftig zu melden. Ich setzte mich auf eine Baumwurzel, rieb Kitira-Salbe in die Wade, ein Fasan flog heran, machte seltsame Laute, aber das half auch nichts. Der Weg nach Fort Augustus wurde beschwerlich.

Nicht forcieren, dachte ich, achtete bei jedem Schritt auf die Wade. In Fort Augustus, vis-a-vis von der Abbey trank ich eine Cola. Ein Mann sass an der Bar, wohl sechzig Jahre alt und schwatzte auf die junge Serviertochter ein. Sie drückte die Stupsnase hoch und hörte gelangweilt weg. Der Mann quatschte und ödete sie an, doch wenn er eine Weile schwieg, warf sie wie Münzen in einen Automaten zwei, drei Worte ein und startete das einsame Geschwätz wieder. Beide im Dunkel, draussen grau, aus dem düsteren Nebenraum TV-Spots.

Kaufte etwas Proviant ein, fragte im Tourist Office nach B&B und die Dame verwies mich ans Kelter-Haus, eine halbe Meile ausserhalb des Dorfes. War mir recht, ich wollte weg, doch die Wade schmerzte. Das Kelter-Haus war ausgebucht. Sechs weitere Kilometer lagen vor mir.
Die Wade schmerzte, doch unvermittelt, nach vier Kilometern tauchte ein Tea-Room mit B&B auf. Ja, sagte der Mann, die Zimmer seien frei, aber er könne mir keines geben. Es sei geschlossen, seine Frau leide an Krebs, sie liege im Sterben.

Teure Cola

Im Tea-Room kostete das Cola zwei Pfund, was mir recht teuer vorkam. Ich zog dann weiter und nach einem Kilometer hielt ein roter Volvo neben mir – es war der Wirt vom Tea-Room, der mir ein Pfund zurückgab. Er hatte geglaubt, ich hätte zwei Cola getrunken und erst später gemerkt, dass es nur eines war.

Die Wade, die Wade, die Wade! Der Weg zweigte nach Fort William ab, kilometerweit keine Häuser in Sicht. Auf der Karte war ein Hotel eingezeichnet, aber nicht an meinem Weg gelegen – vier Kilometer für die Katz, die ich morgen zurückgehen müsste. Zehn Autos, sagte ich mir, würde ich für diesen Zusatzweg zu stoppen versuchen. Das elfte wartete: Ein Italiener, in Japan lebend, der seiner japanischen Frau Europa zeigte. Er zeigte sich sehr zufrieden, dass ich nach Sizilien unterwegs war, gab aber zu bedenken, dass es sehr weit sei.

Das Hotel hier: Verkommener Charme, voller Gäste, schottische Wanderer mit Frau und Freunden, Männergruppen, die fischen. Sie essen Frites und Burger, trinken Bier, mal einen Whisky. Im Dachgiebel mein Einerzimmer, auf den Tapeten blüht der Ginster, etwas vergilbt schon.

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