Bedingungslos pubertierend

Ein wenig neidisch bin ich schon auf die Leute vom Bedingungslosen Grundeinkommen. Ich hatte ihre Vision auch, vor Jahren schon. Nur hab ich nichts daraus gemacht.

potGrundbedürfnisse

Ich muss so um die 15 gewesen sein, vielleicht 14, möglicherweise auch schon 16, als ich die Idee mit dem bedingungslosen Grundeinkommen hatte. Leider bin ich nicht auf diesen faszinierenden Begriff gekommen. Hätte ich meinem Vater ein einziges Mal mit «bedingungslosem Grundeinkommen» gekontert, wenn er meine Idee jeweils mit einem verächtlichen «Pubertätsfurz» abgetan hatte, wäre er gezwungen gewesen, ernsthafter über meine Idee nachzudenken. Grundsätzlich war er Neuem gegenüber aufgeschlossen.

Mein Vorschlag war folgender: Sind von Vaters Lohn erst einmal alle fixen Kosten wie Miete, Versicherungen, Haushaltsgeld und dergleichen abgezogen, wird der Rest in einen Topf getan, von dem alle Mitglieder der sechsköpfigen Familie soviel entnehmen können, wie sie brauchen, um sich verwirklichen zu können. Jaja: «Verwirklichen» – es war so ums Jahr 1968.

Stress- und angstfrei

Wieviel da jede und jeder zugute hätte – darauf wollte ich mich nicht festlegen. Ich wusste schliesslich auch nicht genau, wieviel mein Vater verdiente und eigentlich auch nicht, wie er es verdiente. Wichtiger war mir die Vorstellung, dass man seine Grundbedürfnisse decken konnte, stress- und angstfrei. Auf diese Weise – und da war ich mir absolut sicher – würde einem die Schule leichter fallen, man würde kreativer, hätte auch immer wieder Lust, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Und so.

Meine Grundbedürfnisse waren schnell abgedeckt damals: Eine Army-Jacke endlich! Eine neue Gitarre vielleicht. Paar LP’s. Solche Sachen halt. Bedingungslos. Meine Geschwister waren kleiner, die hatten sowieso noch weniger Grundbedürfnisse.

Mein Vater blieb stur, ich haderte und beschloss, dereinst anders zu handeln, falls ich je eine Familie gründete. Die Familie kam dann zustande, aber an das bedingungslose Grundeinkommen habe ich jenen Jahren seltsamerweise gar nie gedacht.

Und wenn ich jetzt am Unternehmen Mitte in Basel vorbeischlendere, wo die Köpfe des Grundeinkommens ein- und ausgehen, kommt mir jedes Mal in den Sinn, dass ich das «bedingungslose Grundeinkommen» über all die Jahrzehnte hinweg vergessen habe. Dabei ist es so einfach: Alle erhalten ein Existenzminimum, niemand will festschreiben, wie gross es ist. Auch sagt niemand, wer es zahlt. Ach ja, diese Frage ist so was von bieder und abgelöscht. Damit befasst sich niemand, der die Pubertät seiner Lebtag lang geniessen möchte und sich nie wirklich damit befassen will, wie der Reichtum und die Vermögen in unserer Gesellschaft nur ein wenig gerechter verteilt werden könnten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert