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Am 15. Juni öffnet Deutschland nach fast dreimonatiger Corona-Sperre die Grenze zur Schweiz. Da bin ich schon drei Tage unterwegs, überschreite den Rhein bei Zurzach und wandere weiter bis München, dann Augsburg, Nürnberg, Leipzig und schliesslich Berlin. Es gibt viel zu sehen und zu hören – und zu lesen.

Erster Teil: Basel (Birsfelden) – München

«Wir sind angekommen»

Spur durch Deutschland, Potsdam – Berlin, 8. August 2020. Irgendwie kommt mir die Brücke bekannt vor. Dort tauschen in alten Filmen die BRD und die DDR Spione aus. Genau um elf betreten sie Fausi und ich, diese Glienecker Brücke, gelangen auf das Gebiet der Stadt Berlin und beschliessen ein paar Stunden später nach einer längeren Wanderung durch den Grunewald, dass wir nun am Ziel angekommen sind. Nach 58 Tagen bin ich also da.

Glieneckerbrücke, die Ost und West bis 1989 teilte

Doch, doch, es ist ein emotionaler Moment. Potsdam liegt hinter uns, die Glienecker Brücke vor uns und wenn wir sie überschritten haben, dann begrüsst uns ein gelbes Ortsschild, wie ich sie nun wohl zu Hunderten gesehen habe in den letzten Wochen, gelb und am rechten Strassenrand stehend – aber diesmal steht «Berlin» drauf. Wir haben die Grenze zwischen Brandenburg und Berlin überschritten, die Grenze, die einst zwei Machtblöcke trennte, zwei Welten, die damals in drei Jahrzehnten grundverschieden geworden sind, getrennt durch eine schier unüberwindbare Mauer, und die sich einander nun wieder annähern. Autos fahren hin und her, Radfahrer machen halt auf diesem Brückenkopf, knipsen ein Foto, und wir setzen uns hin und machen eine kurze Pause.

Oldsmobile für den Austausch von Spionen zwischen Ost und West

Dem Mauerweg entlang spazieren wir durch Wannsee, hinunter zur Havel, durch den Wald, der am Vormittag weitgehend menschenleer da liegt, weil die Berlinerinnen und Berliner wohl noch am Einkaufen sind. In einem Waldrestaurant dann ein erster Halt – wir wollen es heute ganz locker nehmen. Ein Fidler geigt «If I were a Rich Man …», das Akkordeon begleitet ihn, wir peilen die nächste Brücke an, zwischen Kleinem und Grossem Wannsee, marschieren an Villen vorbei, die geheimnisvoll hinter verschlossenen Toren und hohen Zäunen in prunkvollen Pärken liegen. Mit meinem Rucksack komme ich mir etwas unpassend vor in dieser Gegend und später gesellt sich Enttäusschung dazu, weil sich unten am Ufer der Havel keine nächste Gastwirtschaft zeigt. Nur private Yacht- und andere Clubs, ein grosses Schwimmbad, später kleine Sand- und Wiesenstrände.

Zu morgendlicher Stunde im Wirtshaus Moorlake am Wannsee

Wir wagen es vorerst noch nicht, uns zuzugestehen, dass uns gar nicht mehr so sehr ums Wandern ist. Wir möchten uns jetzt dann einfach hinsetzen, ein Bier trinken oder einen Eiskaffe und nicht den ganzen Grunewald durchqueren. Die Beine werden etwas schwer, aber wir ziehen es bei doch üppiger Hitze knallhart durch. So sind wir nun mal.

Um 16 Uhr sitze ich mit Fausi an einem Tischchen im «Waldmeister» bei der S-Bahn-Station Grunewald, das Glas vor mir, das Telefon in der Hand und berichte Moni zuhause: «Wir sind angekommen.»

Schon wieder Wirtshaus, diesmal Waldmeister, wo der Fussmarsch zu Ende geht

Ja, ein besonderer Moment für Moni und mich, es war eine lange Zeit und wir freuen uns aufs Wiedersehen. Am 12. Juni bin ich in Birsfelden aufgebrochen, etwa zwei oder drei Mal hatte ich das Gefühl, ich müsse das Vorhaben abbrechen, zwei Mal wegen den Füssen, einmal wegen Zeckenbiss, der sich so ausweitete, dass ich in Nürnburg den Ärztlichen Bereitschaftsdienst aufsuchte. Ich habe hier nichts darüber geschrieben, einfach so, aber es war für mich eindrücklich, wie unbürokratisch das ganze Prozedere ablief, wie kompetent die beiden Ärzte den Schaden angeschaut und beurteilt haben und dass das alles kostenlos war. Das einzige Problem bei der Anmeldung war die Verwirrung, welche die Computer stifteten. Das Herkunftsland «Schweiz» kannten sie nicht und die beiden Damen bei der Aufnahme zerbrachen sich den Kopf, wie denn das gehen könne, dass die Schweiz angeblich in Europa liege, aber nicht in der EU sei.

Sonst habe ich weder etwas Beängstigendes erlebt, noch ist mir etwas Gröberes zugestossen, verloren habe ich nichts, gestohlen wurde mir ebenso wenig. Ich habe lustige und weniger lustige, freundliche und unfreundliche Leute getroffen wie überall auf der Welt, aber schon vor allem angenehme. Die Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern dünken mich noch recht gross. Nicht alle spüren sie in gleichem Masse: Wer zum soliden Mittelstand gehört und darüber hinaus, scheint sich im ehemaligen Osten wohl zu fühlen, wer sich nach der Decke strecken muss, erinnert sich an viel Positives aus der guten, alten Zeit.

Die Reise war in verschiedener Weise geprägt durch die Corona-Pandemie. Leute, die wegen der wirtschaftlichen Einbussen klagten, traf ich immer wieder. Für viele bedeuten sie den wirtschaftlichen Ruin, leiden müssen fast alle darunter. Das Maskentragen im öffentlichen Verkehr oder in den Läden gehört zum Alltag und wird klaglos befolgt. Viele Sehenswürdigkeiten, die man normalerweise besuchen könnte, sind geschlossen. Andererseits ist der Andrang an den zugänglichen Orten sehr viel kleiner als in anderen Jahren. So ist es beispielsweise in normalen Zeiten kaum möglich, als zeitweilig einziger Gast durch Goethes Gartenhaus in Weimar zu gehen.

Und mit der Metro ins bunte Berliner Treiben

Kaum jemals habe ich es erlebt, dass eine Anfrage für eine Unterkunft abschlägig beantwortet wurde, weil die Pension oder das Gasthaus ausgebucht gewesen wäre. Ich fand fast immer einen Platz und wenn die Suche schwierig wurde, hat sich Moni zuhause an den Computer gesetzt und mir aus der Ferne etwas gefunden. Herzlichen Dank, meine Liebe, und auch Dank für die grundsätzliche Unterstützung für die Idee, von Basel nach Berlin zu wandern. Eine Idee, die nicht allen Leuten auf Anhieb einleuchtet.

Und wenn ich hier zum Abschluss meines Reiseberichts schon am Danken bin, möchte ich auch Richard, Lix, Fausi und Hugo danken, die mich ein Stück des Weges begleitet haben, was jeweils eine willkommene Abwechslung war.

Durstig, aber sonst zufrieden, mit Fausi (rechts)

Und dann auch das: Es haben mehr Leute diesen Blog gelesen und angeschaut, als ich erwartet habe, und ihr Gefallen bekundet, ihn auf Facebook empfohlen und mir tolle Rückmeldungen geschickt. Herzlichen Dank auch dafür! Und wer die Reise nun fortsetzen möchte, zum Beispiel nach Moskau – dem oder der empfehle ich Wolfgang Büscher Reiseroman «Berlin – Moskau, Eine Reise zu Fuss». Ist natürlich viel schwieriger zu bewerkstelligen, entsprechend abenteuerlicher und heroischer das Geschehen.

Nun ist auch mal Schluss mit diesem Bericht. Mit Fausi bin ich das letzte Stück nach Berlin spaziert, wir haben zusammen mit Sylvia Znacht gegessen, werden morgen das eine und andere anschauen. Dann besuche ich noch liebe Bekannte in Berlin, schaue mir später ein Weilchen dies und das an und steige dann irgendwann in den kommenden Tagen in den Zug.

Hier nochmals die Karte mit der Route meiner Wanderung. Man kann alle Orte und Strecken anklicken und kommt dann zum Link, der zum entsprechenden Bericht führt. Danke fürs Lesen und bis ein ander Mal.