Im oberschwäbischen San Gimignano

Spur durch Deutschland, Wittenhofen – Ravensburg, 21. Juni 2020. In Kappel, einem Dorf im Hügelland nördlich des Bodensees, zwingt ein zorniger Mann Autofahrer, Biker und Wanderer zu einem Umweg. Das ist nicht schlimm. Ravensburg mit seinen vielen Türmen und dem blauen Dreieck rückt trotzdem näher.

Türme, ein Kran und Fachwerk – so ist Ravensburg

Ein Morgen, als hätte ihn Spitzweg gemalt! Blauer Himmel voller weisser Wolken, eine Sonne, die nur strahlt und nicht den Schweiss aus den Poren treibt, Menschen, die durch die Landschaft gleiten – und dann ist heute erst noch Sommeranfang. Ich begegne Leuten, die mit ihrem Hund zugange sind und dann kommt mir tatsächlich eine grosse Frau in langem Rock entgegen, die in einem Buch lesend dahinschreitet, während ihr schwarzes Hündchen, etwas so gross wie ein Eichhörnchen ohne Schwanz, nervös um sie herumrennt. Ich denke, ich seh’ nicht richtig, aber es geschieht genau so vor dem Dorf Urnau. Mein Weg führt nun Hügel hinauf, Hügel hinunter, weil ich quer zu all den Bächen und Bächlein, die zum Bodensee hinunterstreben, wandere. Das bringt mich mit der Zeit doch ins Schwitzen.

Durch ordentliche Dörfer gehe ich, die Gärten gepflegt, die Wände verputzt, glänzende Kaminrohre übers Dach hinaus. Nur die Haustüren sind hässlich. Fast alle. Die Deutschen haben ein Flair für scheussliche Haustüren. Sie schrecken auch dann nicht vor ihnen zurück, wenn sie ein altes Bauernhaus stilgerecht renovieren. Und es gibt viele stilgerecht renovierte Häuser auf meinem Weg. Eine Weile lang schreite ich auf dem Schaukelweg. Alle dreihundert Meter steht eine Schaukel am Wegrand.

Familien wandern von Schaukel zu Schaukel

Alle denkbaren Arten von Schaukeln hat man aufgestellt. Familien mit Kindern wandern schon am frühen Vormittag von Schaukel-Station zu Schaukel-Station. Es sind meist sehr wohlgenährte Familienmitglieder und das passt auch sehr gut zu dieser fruchtbaren Landschaft, wo es wohl Jahr für Jahr viel zu ernten gibt. Die Leute machen sich grosse Sorgen um die Natur. Überall lese ich Sinnsprüche. Zum Beispiel so, mit wetterfester Farbe auf einen Holzstrunk gemalt: «Unsere gemeinsame Mutter Natur zeigt ihren Kindern immer deutlicher, dass ihr der GEDULDSFADEN gerissen ist.»

Denkt an die Natur!

Im Weiler Kappel verblüfft mich aber eine andere Installation. Vier Holzpfähle halten ein Dach und unter diesem Dach hängt eine mächtige Glocke. Darunter steht: WARNGLOCKE.DE und – «Gegen Unrecht und Willkür im Staat. Bitte läuten Sie Protest.» Darüber beginne ich nachzudenken, werde nicht klug und lenke mich damit ab, die Fassade eines beachtlichen Fachwerk-Bauernhauses zu fotografieren, das einem J. Nägele gehört, von dem ich bald noch mehr erfahren werde.

Erst der Aufruf zum Protest …

Doch der Reihe nach: Ich biege um die Strassenecke, will dort hochgehen, doch da liegt ein schwerer Baum quer über dem Weg. Da ist kein Durchkommen. Ein Schild besagt: «Mehr Info auf warnglocke.de».

Die Umleitung verwirrt mich, ich komme vom richtigen Pfad ab, komme dann aber wieder auf den richtigen Weg und ein Mann aus Kappel erklärt mir, dass der Nägele Josef so eine Art moderner Kohlhaas sei. Ein Rebell, der sich im Kampf um sein Recht verirrt habe. Ein Wutbürger mit einem Blog, der eine Schar Leidensgenossen um sich geschart habe, die sich «Prozessbeobachter» nennen. Der Nägele Josef – ein Bauer – habe den Gerichtssaal schon öfters von innen gesehen, wegen Konkursen und so und weil er vor lauter roten Zahlen deren Ende gar nicht mehr gesehen habe. Er habe sich in vielen Jahren so in die Gesetzbücher hineingefressen, dass er sie besser kenne als die Richter und keinen Anwalt mehr brauche.

Kein Durchkommen

Vieles habe er schon versucht: Bullenzucht mit über 200 Tieren, Haselnussplantagen, Weihnachtsbaumplantagen. Auf seinem Blog wettere er gegen Richter und Behörden, dass einem die Ohren wackeln. Die Strasse, die Nägele gesperrt habe, verlaufe über sein Grundeigentum. Die Behörden seien machtlos, irgend ein Gesetzesparagraf steheauf Nägeles Seite und so bleibe der Baum liegen, wo er ist.

In Wilhelmskirch habe ich Durst, setze mich in ein Gartenrestaurant und fülle den Corona-Zettel aus. Die Kellnerin wundert sich, dass ich mit diesem Rucksack aus der Schweiz komme und dann geben sie und andere Gäste Tipps, wie ich am besten nach Ravensburg komme. Ich solle nicht den kürzesten Weg nehmen, sondern den durch die Wälder. Ein Mann sagt mir, Ravensburg sei das San Gimignano der Oberschwaben. Ob ich schon in San Gimignano gewesen sei? In Italien? Eine Stadt voller Türme. Und so sei Ravensburg auch.

Ganz so ist es allerdings nicht. Aber Ravensburg hat tatsächlich viele Kirchtürme und andere Türme auch. Das spielt aber überhaupt keine Rolle, denn auch ohne Verweis auf San Gimignano: Ravensburg ist eine ausserordentlich lebendige, hübsche Stadt, mittelalterliche Häuser, Gassen, verwinkelte Strässchen, verwegene Ecken mit Spielbuden und Shisha-Bars, breite Plätze, auf denen in Corona-gerechten Abständen die Tische aufgestellt sind, alle besetzt mit Biertrinkern und Eis-Schlürfern, Kaffee-Trinkerinnen und Plaudernden. Fast so mediteran wie San Gimignano und voller Läden für Touristen. Keine Hektik an diesem Sonntag. Viel Geschwätz. Lachen. Kindergeschrei.

Ravensburg, malerisch

Eigentlich hat mich Ravensburg angezogen, weil es mich an die Kindheit erinnert. Spiele. Kinderbücher, Puzzles. Es gibt sie immer noch, die Ravensburger Spiele mit dem blauen Dreieck als Signet. Die ganze Stadt erinnert daran. Museen. Läden. Seit etwa 150 Jahren gibt es den Ravensburger Verlag. Bitter nur: Er gehört heute einem Österreicher Konzern.

In der Marktstrasse esse ich einen Teller Pasta in einem freundlichen Schuppen. Weiter unten in der Gasse brüllt einer. Schreit Leute an. Ein Besoffener, ganz offensichtlich. Er hört und hört nicht auf. Da gleitet ein Polizeiwagen vorbei. Von der anderen Seite der Strasse noch einer. Dann noch ein Kastenwagen. Ein Besoffener, drei Polizeiwagen, sechs Polizisten mit Kurzhaarschnitt und eine Polizistin mit Rossschwanz. Ausgerechnet die Polizistin muss auf den Besoffenen los. Ihr Haarschweif wirbelt wild durch den Abend. Dann kriegt sie ihn bäuchlings zu Boden und kniet auf seiner Schulter. Der Besoffene brüllt «du tust mir weh», dann legen sie ihm Handschellen an. Die Polizisten-Männer bugsieren ihn in einen Streifenwagen – und dann ist bald wieder Ruhe in der Marktstrasse. Ganz ordentlich ruhig.

2 Gedanken zu „Im oberschwäbischen San Gimignano

  1. Lieber Urs

    Ich wollte mich schon lange mal melden. Ich finde deine Zu-Fuss-unterwegs-Projekte sehr spannend. Das jetzige wir auch die Umwanderung der Baselbiets vor einigen Wochen. 🙂
    Ich spiele selber mit dem Gedanken mal eine Etappenwanderung zu machen – vielleicht im September auf der Via Engiadina. Vorerst gehe ich am Sonntag aber für vier Wochn auf eine Geissenalp oberhalb von Vals und helfe beim Melchen, Käsen, Kochen, Putzen usw. Eine Auszeit vom Berufsalltag.
    Die gutes Entdecken und Vorwärtskommen – auch bei wärmeren Temperaturen.
    Herzliche Grüsse,
    Noëmi

  2. Offener Brief 17.8.2022
    Hallo Urs,
    Dein Reisebeschreibung und der Bericht über mich, Nägele Josef bedürfen einer Richtigstellung.
    1. Über andere Menschen in der von Dir gewählten Negativform zu berichten entspricht nicht dem Stil eines guten Miteinanders.
    2. Offenbar hast du die Website http://www.warnglocke.de nicht besucht oder die Inhalte weder gelesen noch verstanden.
    3. Ein Mindestmaß an journalistischer Fairness wäre ein Gespräch mit mir gewesen. Wer ist Dein Informant, der angeblich den „Fall Nägele“ so gut kennt, dass Du seine Aussagen ungeprüft abdruckst? Doch dieses hast Du offenbar aus gezielter Diffamierungsabsicht unterlassen um mit dümmlichen Floskeln über die gewalt- und parteifreie Bürgerinitiative Prozessbeobachter, meine Familie und mich herzuziehen.
    4. Als Bürger, der wie kein anderer in der Gemeinde nachweislich vorbildliche Projekte initiierte, habe mich keinesfalls im Kampf um mein Recht verirrt, sondern fordere mit meinen Mitstreitern und geschädigten Opfern die Einhaltung der Gesetze, sowie die Strafverfolgung der Straftäter und Verbrecher in staatlichen Organen. Diese Straftaten und Verbrechen sind Beweis, Offenkundig, nicht gestoppt und nicht rückabgewickelt.
    5. Würden auf der Warnglocke durch die Bürgerinitiative (BI) unwahre Behauptungen aufgestellt, hätte die Staatsmacht längst eingegriffen und die Seite gesperrt! Warum willst Du ihr keinen Glauben schenken?
    6. Im Gegensatz zu Dir habe ich Gerichtssäle schon des Öfteren von innen gesehen. Dies nicht nur in eigener Sache, sondern weil wir von der BI Menschen in Not, die von Rechtsanwälten zwar finanziell ausgenommen, jedoch nicht vertreten werden, helfen.
    7. Beispiele hierfür sind von uns nachweisbar verhinderte Zwangsversteigerungen zur Beraubung von Haus, Hof und Heimat und andere Willküraktion der Staatsmacht gegen rechtschaffene Bürger.
    8. Wir sind weder Wutbürger, Reichsbürger, noch Querulanten wie Deine Begrifflichkeiten indizieren. Unsere öffentlichen Auftritte sind stets gewaltfrei und dienen dem Ziel der Sichtbarmachung des erwiesenen Unrechts vor Ort. Dieses Unrecht hat in der von Dir gelobten Stadt mit seinem Amts- und Landgericht nachweislich Hochkonjunktur.
    9. Wir von der BI haben uns auch nicht, wie du wissentlich fälschlicherweise behauptest, in Gesetzbücher hineingefressen, dass wir diese besser kennen als Richter und Rechtsanwälte, sondern wir handeln nach den Gesetzen und fordern die Einhaltung dieser Gesetze und die Verfolgung von Straftaten und Verbrechen der Personen staatlicher Organe.
    10. Da Du offenbar als Redakteur und ehemaliges Mitglied der Basler Zeitung keine Ahnung von juristischen Begrifflichkeiten und Vorgängen hast, verwendest Du diese auch im falschen Zusammenhang, nur zum Zwecke der Diffamierung.
    11. Das dümmlich Gerede von „lauter roten Zahlen“ zeugt im Weiteren von der gewollten oder herrschenden Unkenntnis der Situation vor Ort.
    10. Der Hinweis, dass ich erfolglos die Bullenzucht verfolgt hätte, ist ebenso dümmlich: Jeder Mensch mit abgeschlossener erfolgreicher Volksschule weiß, dass man zwar durch die Paarung von Kühen mit Bullen Kälber erzeugen kann und dass daraus wieder Kühe und Bullen entstehen können. Mit Bullen in einer Bullenmast ist allerdings keine, wie Du fälschlicherweise behauptest Bullenzucht möglich. Auch ein Lehrer könnte diese biologischen Eigenheiten kennen.
    11. Mit Deiner dümmlichen herabsetzenden Beurteilung, dass ich erfolglos Bullenzucht versucht habe, beleidigst Du auch alle meine Kollegen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Rindermast organisiert hatten und von denen heute kein einziger mehr Rindermast betreibt, weil diese von der Politik durch Billigimporte systematisch, zielgerichtet ruiniert wurden. Fehlt es Dir an dieser Allgemeinbildung?
    12. Das selbe unqualifizierte Geschwätz verbreitest Du auch über die Nutzung eines Moränehügels zum Anbau von Weihnachtsbäumen und Haselnüssen. Hast Du bessere Alternativen? Sicher nicht! Oder fällt Dir nur die Verwertung über Bauplätze ein?
    13. Weil es Deiner vorgefassten Meinung und Ideologie widerspricht, hast Du auch nicht erwähnt, dass vom „Bioland“ – Biohof Nägele bedeutende EU-weit wirksam gewordene positive Aktionen zum Wohle der Menschen ausgingen.
    14. So hast Du auch vergessen zu erwähnen, dass vom Bauer Nägele die seit Generationen gewährte private Hofüberfahrt wegen des zugefügten Unrechts gesperrt und als Goodwill-Aktion im Herbst für Obsttransporte für Kollegen mehrfach geöffnet wurde, jedoch keinerlei Aktionen der Gemeinde / Staat zur Wiedergutmachung des zugefügten, bekannten Unrechts erfahren hat.
    Die bis zur Gewährung von Recht gesperrte Hofüberfahrt wird auch mit Plakathinweis auf Deine Homepage informative begründet.
    15. An dieser Stellte sei nur auf das international bekannte zielgerichtet und systematisch von staatlicher Seite aus veranlasste Unrecht, der öffentlichen Behauptung der angeblichen Vergiftung des Bodenseetrinkwassers für 4 Millionen Menschen hingewiesen. Hierzu sagte der leitende Polizei-Kommissar: „Herr Nägele: Wir wussten von Anfang an, dass sie als Täter nicht in Frage kommen. Aber wir mussten!“
    16. Diese zielgerichteten Ruinierungsversuche begründen sich auf die erfolgreichen Hoffeste mit tausenden Besuchern, bei denen ich die Besucher aufforderte, gegen den vom Agrarministerium geforderten Hormoneinsatz in der Tiermast zu stimmen. Seit dem wird der Hof von staatlichen Organen und Personen nachweislich systematisch zielgerichtet ruiniert und rechtliches Gehör verweigert.
    17. Anstatt mit mir zu reden, oder die Homepage Warnglocke zu den Fällen: Nusser, Schlösser, Wachter usw. zu beachten, hast Du nur aus Bequemlichkeit sowie der billigen Schlagzeile wegen und zur Rufschädigung den dümmlichen Bericht, dem jede sachliche Grundlage fehlt, veröffentlicht. Ich persönlich halte das aus, doch meine Frau und unsere Kindern hast Du auf das Übelste durch Deine unqualifizierten öffentlichen Darstellungen getroffen und beleidigt.
    18. Von den Schweizer Eidgenossen mit ihrer Verfassung zur Meinungsbildung und Volksabstimmungen sind mir andere Vorgehensweisen bekannt. Musst Du Dich da als Gast in Deutschland nicht schämen?
    19. Ich bin gespannt, ob Du die Zivilcourage besitzt, Dich vor Ort über die sattsam bekannten Straftaten und Verbrechen durch Personen staatlicher Organe zu informieren und daraus resultierend eine öffentliche realistische Neubeurteilung zu verfassen. Hierzu gehörte auch eine Entschuldigung für den unqualifizierten journalistischen Stil.
    20. Wetten, dass Du dieses Schreiben nicht einmal zu den genannten Punkten beantwortest!
    Dieses Schreiben mit den Tatsachen, Beweisen und Offenkundigkeiten ist meine Notwehr und gemäß §§ 32, 34, 257, 258 StGB und nach Artikel 20 GG Abs. 4 notwendig und begründet, weil andere Abhilfe nicht möglich erscheint.

    Es ist daher öffentlich. Ich behalte mir vor dieses Schreiben an Dich ab dem 1.9.2022 auf der warnglocke.de als Negativbeispiel für Vorverurteilung und Rufschädigung zu veröffentlichen.
    Während auf der Homepage warnglocke ein gültiges Impressum zu finden ist, suche ich dies bei Dir vergeblich. Handelst Du feige aus der Anonymität heraus? Ist dies eines Lehrers mit Vorbildfunktion entsprechend?

    Mit trotzdem freundlichen Grüßen

    Josef Nägele

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