Rund ums Baselbiet, Etappe 12 von Langenbruck nach Hauenstein – 16. März 2020. Gestern hat auch die Baselbieter Regierung den Lockdown ausgerufen. Die Leute schauen verdutzt, wenn da einer einfach so vorbei wandert.
Die Wolke weist keinen Weg – sie ist zufällig daCorona legt alles lahm, die Beizen, die Läden, das Waldenburgerli ist leer, der Bus von Waldenburg nach Langenbruck ebenfalls. Ich sehe das von aussen, weil Moni darauf bestanden hat, dass sie mich hinführt nach Langenbruck. Wegen der Viren, die in den Wagen und Bussen des öffentlichen Verkehrs herumschwirren.
Eigentlich wollten Gass Paul und ich auch diese Etappe zu zweit angehen. Doch er hat getsren Abend abgesagt. Wegen diesem Sch…virus, wie er schrieb. Ich starte bei der Post in Langenbruck, respektive dem Ort, wo die Post einmal stand und wo jetzt die Postautos halten. Eines steht dort, die Türen sind offen, der Chauffeur wartet und wartet und lässt den Motor laufen, um die Stille zu übertönen. Kein Mensch, kein Passagier in Sicht. Ich gehe dorfabwärts, am Ochsen vorbei, der offenbar immer noch ein Hotel ist, wenn dann die Zeiten wieder normal sein werden – der Ochsen hat sogar ein Gästehaus. Dann am Bären vorbei. Dort hängt ein Schild «Reception», was darauf schliessen lässt, dass es auch Gästezimmer gibt. Im Bären soll mal der Bundesrat gespiesen haben, vor vielen Jahren, als man von Bern nach Basel noch über den Oberen Hauenstein fuhr. Das hat man uns Kindern ehrfurchtsvoll zugeraunt, wenn wir vorbeifuhren. Fast schon ehrfürchtig. Hanspeter Tschudi soll einer der tafelnden Bundesräte gewesen sein.
Von vergangenen Ehren zeugt rund um den Bären nicht mehr viel. Ich wandere an ihm vorbei, biege nach links ab Richtung Bärenwil. Es sind ein paar Leute am Werken, da und dort, sie schauen mich verwundert an: Was will der da, jetzt wo im Baselbiet Corona-Notstand ist? Dann entdecke ich blühende Schlüsselblumen, will sie fotografieren, sehe oben ein stattliches Haus und realisiere, dass ich es gestern auf Facebook gesehen habe: Dort oben wohnt der lauteste Trompeter von Langenbruck – er hat gestern im Lockdown-Schock ein Bild aus eben diesem Garten gepostet und seine Frühlingsidylle der Facebook-Community gezeigt.Holderbank im Morgenlicht
Frühlingsarbeiten bei BärenwilBis Bärenwil wandere ich auf der Autostrasse, die Grenze verläuft rechts unterhalb und ich denke, dass der Frühling heute recht schüchtern grüsst. Wenn man das so sagen kann. Es ist zwar schön und sonnig, aber auch etwas kühl, das Blau des Himmels ein milchiges Blau und das Licht eher – ja eben: schüchtern. In Bärenwil wird ein Haus gebaut, ein Wegweiser weist den Weg zur Autobahn, was doch etwas sonderlich wirkt hier oben in dieser Abgeschiedenheit und dann biege ich links hoch Richtung Hof Rüteli, gehe wieder mal ein Stück querfeldein genau auf der Grenze, Bärenwil mit direktem Anschluss an die Weltan einem Grenzstein entlang, komme zum Asp, einem sehr ordentlichen Hof, und nachher raste ich auf einem Rastplatz, der so lauschig ist mit seinen Bächlein, Felsen und Feuerstellen, dass ich mir vorstellen kann, wie intensiv der an heissen Sommerwochenenden bevölkert sein muss.
Langenbruck, von der Gwidem-HöchiNun geht’s auf einem recht wilden Pfad aufwärts, aufwärts, aufwärts bis zur Wuesthöchi auf 966 Metern. Dort ziehen zwei Wanderer, später zwei Wandererinnen und noch später ein Wanderer mit Walking-Stöcken an mir vorbei, während ich auf einer Bank sitzend die Aussicht geniesse. Den Wanderer mit Walking-Stöcken überhole ich dann kurz vor dem Aufstieg zur Gwidem-Höchi, wo sich der Blick aufs blasse Alpenpanorma auftut. Man sieht die Berge nur schwach im Dunst, dafür markiert die Gösgen-Dampffahne kräftig, dass das AKW läuft, und hinten liegt Langenbruck in der Sonne. Oben am Waldrand picknicken die beiden Wandererinnen, die vorher an mir vorbeigezogen sind und reden darüber, dass man die gegenwärtige Corona-Krise halt aushalten müsse und bedauern, dass niemand mehr vom Flüchtlingselend auf den griechischen Inseln spricht.
AKW-Dampffahnen aus Bölchen-SichtIm Wald suchen zwei Frauen und ein Mann Brennholz für ein Feuer und als ich die Bölchenfluh erreiche, steigen eben die beiden Wanderer herunter, die auf der Wuesthöchi an mir vorbeigezogen sind. Sie wollten eigentlich skifahren gehen heute, erzählen sie mir, aber die Berggebiete sind nun wegen Corona alle geschlossen worden. Ob ich auch wegen Corona unterwegs sei, fragen sie, Nein, sage ich, ich wäre auch ohne Corona da. Das finden sie gut. Ohne ersichtlichen Grund reden wir dann über Home-Office. Hone-Office ist gut, sagt der eine, denn: Daheim ist Nichtstun noch schöner. Wir lachen ein bisschen, dann endlich steigen sie hinunter, ich bleibe allein zurück auf dem Bölchenaussichtspunkt, schaue in die Berge, wo nun keine Touristen mehr sind, die Skilifte stillstehen und die Kellnerinnen und Kellnerinnen die Bergrestaurants aufräumen. In Westen und Norden geht mein Panoramablick über die Vogesen, den Schwarzwald – Sperrgebiet seit neustem. AlpensichtEs fühlt sich hier oben alles so leicht und friedlich an. Dann kommt der Wanderer mit den Walking-Stöcken heraufgekeucht, wir wahren die Corona-Zweimeter-Distanz und er fragt mich über die Landschaft aus. Er sagte, ich könne froh sein, nicht im Kanton Solothurn zu wohnen, wenn ich auf so eine Idee käme, rund um den Kanton zu gehen. Das wäre dann viel weiter.
Leere BölchenfluhDas Feuer unten brennt unterdessen, die beiden Frauen und der Mann haben sogar die Würste schon so weit braten können, dass sie nun am Essen sind. Der Weg führt abwärts, an den Wappen der Militärbataillone vorbei, die diesen Weg im Krieg in die Felsen gehauen haben.
Auf der Challhöchi wissen zwei Frauen in SUV’s nicht, wo weiter und ein Velofahrer erklärt ihnen den Weg. Vor dem Hof Schmutzberg treffe ich erstmals seit Liesberg wieder auf eine Sitzbank der Kantonalbank, die diese aus Anlass ihres 150-Jahre-Jubiläums gestiftet hat. Sie gehört zu Eptingen. Ich setze mich drauf, esse mein letztes Brot, ein hagerer Mann geht an mir vorbei und spricht vor sich hin, die Aussicht ist grandios bis weit hinunter nach Basel, eine Joggerin trabt des Weges und ich mache mich auf zum Hof Schmutzberg. Dort hat sich der hagere Mann auf eine Wiese niedergelassen und zündet sich eine Zigarette an.
Ein Bauersmann karrt auf einem grossen Traktor Äste herum und der Weg führt erst leicht auf- dann stetig abwärts dem Unteren Hauensteinpass und dem Dorf Hauenstein zu. Vorne der Wisenberg, die Frohburg, hinten die Geissfluh, wo ich auch noch drübersteigen werde. Dann wandere ich an einem Skilift vorbei, der in diesem warmen Winter kaum jemals in Betrieb gewesen sein dürfte, und komme zum Etappenhalt auf dem Parkplatz des verfallenden Motels, wo mich Moni Corona-gemäss abholt.
Und morgen geht’s an dieser Stelle weiter nach Anwil