Zu zweit durchs Bogental

Rund ums Baselbiet, Etappe 11 von Bretzwil nach Langenbruck – 12. März 2020. Auf dem Vogelberg hätten wir bei dieser steifen Bise vielleicht einen Kaffee fertig getrunken, doch das Bergrestaurant ist wegen Todesfalls geschlossen. Und es naht der höchstgelegene Punkt des Kantons.

Die Alpen, vom Vogelberg aus gesehen
Ein bisschen bange war mir schon vor dieser Gewaltsstrecke von Bretzwil nach Langenbruck, die nun bevorstand. Ich habe Gass Paul am Vorabend eine Mail geschrieben, ob er ganz spontan Lust habe, mitzukommen. Und er hatte. Wir treffen uns kurz nach neun auf der Sabelhöhe bei Bretzwil, verzichten auf einen Handschlag, weil man das ja neuerdings nicht mehr machen soll, schauen uns die Karte an, die ich doppelt ausgedruckt habe, damit wir uns beim Erkunden des richtigen Wegs nicht zu nahe kommen und ziehen jetzt einfach mal los Richtung Hargarten-Riedberg. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, und es gibt einerseits einen Haufen zu erzählen und andererseits alles, was uns in den Sinn kommt, ziemlich durcheinander.
Ankunft Riedberg
Er kennt die Gegend recht gut, wir schauen uns um, er weiss was zum Häxenplatz zu sagen oder zu einem Bauernhof und die Luft, die wir zum Schwatzen brauchen, zwingt uns, ganz gemächlichen Schrittes voranzugehen. Auf einem sehr steilen Pfad, wo’s rechterhand so abschüssig den Hang runtergeht, dass man nicht gern stürzen möchte, erreichen wir dann den Grat des Riedberg, über 900 Meter hoch gelegen, und dort übernimmt dann Gass, der als Reigoldswiler die Gegend sehr gut kennt vom Wandern und vom Skiwandern, das Kommando. Er hält sich jetzt halt nicht so sklavisch an die Kantonsgrenze, was in dieser felsigen Gegend auch gar nicht möglich wäre. Und doch sind wir immer nah dran.

Wanderweg-Tunnel
Über die «Chleini Weid» hinunter, über einen Wanderweg wieder hinauf, durch einen in den Fels gehauenen Tunnel, um den Berg herum, der Ämmenegg entlang hinauf auf die Ulmethöchi, wo die 76-jährige Bäuerin auf dem sehr einsam gelegenen Hof Ulmet Wäsche aufhängt und ein bisschen mit uns plaudert.
Hof Ulmet
Sie lasse sich jetzt dann pensionieren, sagt sie, der eine der beiden Söhne, die das Gut bewirtschaften, habe seine Jugendfreundin wiedergefunden, diese sei jetzt da oben eingezogen und nun könne sie sich nach Reigoldswil ins Dorf zurückziehen. Wenn man in ihrem Alter nicht mehr bei jedem Wind und Wetter mit dem Auto fahren möge, sei es besser, nicht so abgelegen zu wohnen. Und schliesslich komme sie ja ursprünglich auch aus Reigoldswil.

Wir ziehen dann weiter, zünftig talwärts, erzählen uns Anekdoten und Schwänke aus dem Leben, bis wir beim Bogental-Weiher vor dem Bogental und damit vor dem Aufstieg zum Vogelberg stehen. Erste Schlüsselblumen grüssen, wir wandern dem Bach entlang, sprechen über die Schule, über die Grünen und die SP, und werden wortkarger, wenn Corona zur Sprache kommt, weil wir bis vor kurzem gedacht haben, es gehe uns wahrscheinlich nichts an und jetzt kommt uns die Seuche im kleinen Alltag, wie wir uns eingestehen müssen, aber doch schon ziemlich nahe.

Oben auf dem Vogelberg
Die Luft wird knapp, denn es geht nun fast dreihundert Meter aufwärts und zwar ziemlich steil. Da Gass mit den Skis da schon öfters durchgegangen ist, empfiehlt er eine Schlaufe zu einem verfallenden Schober, wo wir Halt machen, uns in gebührendem Abstand auf ein Brett setzen und uns jeder aus seinem Rucksack verköstigen.

Selfie vor dem geschlossenen Restaurant
Dann ein nächster Anlauf zum Vogelberg, der leider geschlossen ist, weil die Wirtin vor wenigen Monaten unerwartet einen Herzstillstand erlitten hat. Wir machen einen kleinen Halt, der Wind bläst recht steif, ein Selfie auf dem Vogelberg muss dann sein und dann ziehen wir weiter hinauf auf die Höhe, wo sich ein atemberaubender Blick über die Alpen auftut. Es ist nicht der strahlend blaue Alpenblick, die Bergketten sind von Wolkendecken durchzogen, es sieht sehr toll aus.

Schnee auf dem Vogelberg
Wir überqueren die Berghöhe auf einem Schneefeld, erreichen den Grat, der hinunter zur Wasserfallen führt, schauen immer wieder ins Alpenpanorama und ergehen uns in Jugenderinnerungen. Dann kommt die Abzweigung hinunter zur Bergstation der Wasserfallenbahn – und hier trennen sich unsere Wege. Paul geht hinunter nach Reigoldswil, weil er dort wohnt, ich gehe noch ein paar Kilometer weiter, weil sich Langenbruck wegen der Busverbindungen als Etappenhalt besser eignet. Bei der Rochuskapelle nochmals ein kleiner Halt und dann steige ich hoch zum Chellenchöpfli, dem wohl höchsten Punkt der Kantonsumrundung auf 1157 Metern Höhe.

Beim Aufstieg höre ich Frauenstimmen, fröhliche Gelächter und heitere Schreie und dann begegne ich tatsächlich vier jungen Damen, die in sehr hübschen, in diesem Gelände allerdings höchst untauglichen Turnschuhen von der Waldweid hierhergekommen sind und nun den steilen Abhang runter tappen.

Aufstieg zum Chellenchöpfli
Jeder Schritt ein Abenteuer auf diesem glitschigen Morast, was eben immer wieder zu aufgeregten Gelächter und Gekicher führt. Auf dem Chellenchöpfli halte ich kurz inne, schaue das Panorama an, blicke hinüber auf die hintere Egg, den höchsten Punkt des Baselbiets, und dann geht’s abwärts.
Auf dem Sool dreht ein Windrad

Zum Sool, zum Hauberg, an der Tüfelschuchi vorbei, um den Helfenberg herum und zwar anfangs auf einem zauberhaften Lehrpfad, wo ich an Schautafeln allerhand informative Dinge über die Pflanzen- und Tierwelt lese. Dann in einen Trockenhang Richtung Helfenberg hinein, über ein schmales Brücklein hoch zum Hof Bachtalen und nun sollte ich noch der Grenze lang über den Beretenchopf steigen. Das tu ich aber nicht, sondern spaziere auf dem Fahrweg ins Dorf, zur Post von Langenbruck.

Post Langenbruck
Im Postauto nach Waldenburg achten die Leute darauf, nicht zu nahe beeinander zu sitzen, um sich kein Coronavirus anzuhusten. In der Waldenburgerbahn wird es schon enger, je näher wir Liestal kommen. Und im Zug von Liestal nach Basel steht man Schulter an Schulter. Eine junge Frau ist überzeugt, dass bald die Schulen geschlossen würden und man die verpassten Stunden dann während der vorgesehenen Sommerferien nachholen müsse. Da könnten ihr aber alle den Buckel runterrutschen: «Ferien sind Ferien.»



Morgen geht’s an dieser Stelle weiter nach Hauenstein

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