Rund ums Baselbiet, Etappe 9 von Dornach nach Lupsingen – 21. Januar 2020. Der Weg der Grenze entlang führt an diesem sonnigen Dienstag im Januar bis fast vor die Tore Liestals, der Kantonshauptstadt.
Tram-Endschlaufe Dornach, da muss man durch zur neunten Etappe. Der Weg weist zum Goetheanum, das an der Kantonsgrenze liegt, die Häuser verlieren die rechten Winkel, stehen ungelenk links von der Strasse und rechts davon, ach – ich dringe ins Reich der Antroposophen vor. Im Gegenlicht wirken der seltsame Betonbau und der in einigem Abstand rauchende Kamin bizarr. Weiter oben beginnen sich die Häuser in die rechten Winkel einzurenken.
Da herrscht Wohlstand. Hier muss viel Geld vorhanden sein! Pools in den Gärten, grosszügige Fensterfassaden, weisse Klaviere dahinter und weisse Sessel, Esstische aus edlem Holz und Lampen darüber, die in ihrer wegweisenden Schlichtheit von der Exklusivität des flotten Geschmacks zeugen.
Der Pfad dem Schwinbach entlang steigt stetig an, vereinzelt kommen alleingehende und warm eingemummte Bewohner dieses erlesenen Quartiers entgegen und irgendwann verschwindet der Pfad im Wald, steigt weiter an, bis die Bäume einer Wiese weichen und linkerhand der Schlosshof in der Morgensonne strahlt. Dahinter die Ruine Dorneck, und ein Pferd weidet ganz einsam.
Es ist kalt. Aber prächtig schön. Vorne rennen Rehe über die Wiese und der Blick zurück ins Leimental, bevor mich der Wald wieder aufnimmt, ist – sagen wir mal – atemberaubend schön. Die Arleser haben hier der Grenze entlang einen Fussweg gestampft oder vielleicht waren es die Dornacher. Er führt hinauf den Husmatten, ein Hof, der auch ganz still im Januarmorgen döst. Nur ein paar Kühe stehen gelangweilt vor dem Laufstall herum.
Es kommen Stollenhäusern, die Schönmatt – eine Landschaft, die ich doch so gut kenne. Ich bin schon oft hier spaziert, aber noch nie habe ich mich gefragt, wo denn die Kantonsgrenze durchgeht. Nun weiss ich es: Meist dem Waldrand entlang. Ich folge ihm, die Kettensägen von Waldarbeitern kreischen, rechterhand steht ein Bauer auf einem Hebelift und schneidet Kirschbäume. Ich mache einen riesigen Umweg auf der Strecke Richtung Schauenburg, aber das muss nun halt sein. In der Morgensone leuchtet das Restaurant Schönmatt, aber ich kann nicht einkehren. Es sind Betriebsferien.
Ich streife nun durch den Wald, wo ich so oft schon war, schlendere über meine Wege und entdecke den allerschönsten Grenzstein auf der ganzen Strecke seit letztem Mai. Dann aber, nachdem ich die Fahrstrasse, die hinunter nach Liestal führt, überquert habe, beginnt ein kräftiger und unangenehmer Aufstieg, der mich hinauf nach Zürzech führt, dann Richtung Gempen, wo ich mich kurz niederlasse, ein Brot esse und an diesem schönen Waldrand so friere, dass ich meine Handy-Solarladestation wieder einpacke und Richtung Munni absteige.
Es ist zwar ein Weg angezeigt, aber der löst sich in relativ unwegsamem, felsigem Gebiet auf. Ich erinnere mich, dass ich hier in der Nähe mal mit den Langlaufskis unterwegs war, gestürzt bin und mir zwei Rippen gebrochen habe. Das möchte ich vermeiden. Ich ziehe die Handschuhe an und hangle mich von Strauch zu Strauch im felsigen Gebiet hinunter, wo ich einen Waldweg erspäht habe.
Dann stehe ich im Munni, eine schöne Tafeljura-Ebene, wandere dahin, Liestal zu hinunter auf die Sichtern, wo’s mich etwas wärmer dünkt und ich mich auf eine Ruhebank setze und das zweite Brötchen esse. Hier hat sich der Kanton Solothurn weit ins Baselbiet hinein gewagt, ganz als ob er mal im Sinn gehabt hätte, die Kantonshauptstadt Liestal einzunehmen. Kettensägen hört man keine mehr, aber von der Sichtern her knallt Gefechtslärm. Eine Unteroffiziersschule um diese Zeit. Vielleicht. Nuglar liegt im Gegenlicht, die Jurahöhen scheinen weit entfernt, sind im diesigen Schein schwach zu erkennen, wirken aber sehr hoch. Huch, da muss ich hinauf.
Nun geht’s einem Banntagsweg entlang. Hinunter ins Oristal. Ich frage mich, was meine Oris-Uhr mit dem Oristal zu tun hat. Komme beim Curry-Haus auf der Talsohle an, durchquere sie und wandere das Oristal hinauf. Es ist nach wie vor kalt, der Weg am Waldrand ist weiss vom Frost, weil die Sonne hier nie hinkam. Ich wusste nicht, dass das Oristal sich derart windet, ich folge seinem Lauf, am Aufstieg nach Seltisberg vorbei. Erst in Lupsingen steige ich hoch aufs Plateau und beschliesse, dass hier die Etappe zu Ende sei.
Und morgen geht’s weiter nach Bretzwil