Ein Gruss an die Loreley, 18. September 2018

Bingen – Koblenz: Wahrscheinlich haben wir sie doch getroffen, die Loreley. Vormittags um elf: Gesungen hat sie nicht, aber einen Zweier Weissen getrunken. Zuerst aber ein Bier. Und nach dem Deutschen Eck in Koblenz suchten wir das beste Eis der Welt.

Da oben bei den Fahnen hat Brentano die Loreley singen hören

Nun folgt die Strecke, die das Besondere an diesem Ausflug ausmacht. Die Loreley-Route. Wir bleiben auf der linken Rheinseite, die Hügel links und rechts werden höher. Der Hunsrück nähert sich. Eine wohltuende Abwechslung, diese steilen Hänge auf beiden Seiten, putzig die Dörfer, wenn man sie durchquert und kurz von der Radroute abweicht. Oberwesel mit hübschen und netten Unterkünften wurde uns zum Übernachten empfohlen, aber wir erreichen das Dorf schon um halb elf und die Lorelei ruft. Ich habe sie noch nie gesehen und bin gespannt. Nur Bilder vom Fels. Dann taucht er auf, nach einer Linkskurve, wo die ein Eisenbahzug oberhalb der Strasse eben in einen Tunnel einfährt und zwar in ein Tunnelportal, das mit einer Art Kirchturm verziert ist.

Loreley trinkt vor dem Wein ein Bier
Die Loreley also! Dort oben hat sie Clemens Brentano gesehen, aber er hat sie Lore Lay gennant, erst Heinrich Heine machte die Loreley daraus. Wir fotografieren und sind ein bisschen erstaunt, wie trist dieses Goar, das vis-à-vis der Loreley sich erstreckende, auf unserer Seite liegende Dorf, sich präsentiert. Aber dann stellen wir fest, dass das nicht das Dorf ist, sondern nur ein ausufernder Schrott- und Abladeplatz davor. Im St. Goar dann, die Lorelei im Antlitz sozusagen, trinken wir so um die elf ein Apfelschorle in einem Gasthof, der mit seinem Fachwerk putzig aussieht und ein Personal beschäftigt, das irgendwie bedrückt wirkt. Man müsste da mal ein bisschen auffrischen, dünkt‘s uns. Drinnen an der Reception sitzt ein Mann und es sieht aus, als habe man ihn vor etwa sechzig Jahren hingesetzt und ihn dort vergessen. An den freien Tisch neben uns auf der Terrasse setzt sich ein Paar und möchte bestellen. Sie sind beide um die sechzig, aber das Gesicht der Frau hat etwas sehr Jugendliches, das all die Stürme der vergangenen Jahre schadlos überstanden zu haben scheint. Er bestellt einen Zweier Weisswein. Sie sagt: «Det nimm ich auch. Aber zuerst muss ich ein Bier haben.» Ich frage mich, ob das vielleicht die Lorelei ist.

Später treffen wir eine Frau, die die gleiche Route fährt wie wir. Sie hat letztes Jahr die erste Etappe vom Oberalppass bis nach Basel «gemacht», wie sie sagt. Man könne aber mit dem Rad nicht bis zur Quelle des Rheins fahren. Die liege bei einem Bergsee. Sie isst einen Schokoriegel und wir fahren los bis Spay, wo genau die Mitte der Strecke zwischen Basel und Rotterdam sein soll. Wir kehren in einer Pizzeria ein. Dort ist es sehr heiss ist und eine unerträgliche, esoterische Musik rieselt aus den Lautsprechern. Der Besitzer ist ein freundlicher Italiener, der erstaunt ist, als wir ihn auf Italienisch ansprechen.

Wir haben wieder viele Kilometer in den Beinen und fragen uns, ob wir in Koblenz aufhören soll mit dieser Tour. Sind aber unsicher. Koblenz? Wir können uns nichts darunter vorstellen. Die Mosel mündet da in den Rhein. Das sieht man auf der Karte. Na und? Eingangs der Stadt fragt uns ein vorbeizpazierender Mann, ob wir in Koblenz zu übernachten gedenken. Wir nicken. Er empfiehlt uns, bei der Gelateria neben der Liebfrauenkirche ein Eis zu kaufen. Dort gebe es das beste Eis der Welt. Wir nicken und fragen, ob er möglicherweise einen Tipp für eine Übernachtungsmöglicheit habe. Er kannte keinen, weil er als Koblenzer inKoblenz nie ein Hotel aufsuche. Seine Frau pflichtet diese Überlegungbei und erwähnt die Jugendherberge. Als wir die ersten Häuser erblicken, staunen wir, wie vornehm das aussieht. Kleine Villen, grössere Villen, stattliche Häuser am Rhein gelegen, wo die Lastkähne aneinander vorbeipflügen, Ausflugsschiffe und -boote dazwischen. Dann bremst Moni, steigt vom Sattel und sagt: «Da frag ich mal.»

Im Kleinen Riesen. So heisst das Hotel. Kleiner Riese – passt irgendwie zu uns, einerseits, aber andererseits sieht der gediegene Bau vor uns auf den ersten Blick gar nicht aus wie ein Hotel. Aber hallo! Ein gepflegtes Haus mit äusserst humorvollem, zuvorkommendem Personal haben wir gefunden. Kein Problem, dass wir verschwitzt sind, kein Problem, dass wir Fahrräder dabei haben. «Ihr öffnet die Tür unten rechts, geht mit den Rädern rein, dann kommt ein roter Teppich und dem folgt ihr zu den Abstellplätzen.» Das hat Stil. Das Zimmer auch, der Balkon erst recht und das Badezimmer grosszügig. Okay, es war nicht gratis.

Tapas vom Feinsten
Wir schlendern dem Rhein entlang in die Stadt bis zum Deutschen Eck, wo die Mosel in den Rhein fliesst. Unter den vielen hübsch und sommerlich gekleideten Leuten kommt sich Moni in ihren Jeans und dem Outdoor-Hemd etwas underdressed vor. Auf dem Weg zur Altstadt stehen wir dann plötzlich vor einer Design-Second-Hand-Boutique, wo Moni sich ihres textilen Unbehagens entledigen kann, während ich mich mit der Geschäftsinhaberin gut unterhalte.

Später finden wir einen weiteren Kleiderladen. Dann ist aber gut, und eine Gasse hoch geht’s zur Liebfrauenkirche. Vor einem spanischen Restaurant sind die meisten Tische leer. Wie suchen den schönsten Platz aus und merken, dass wir ein sehr angesagtes Lokal gefunden haben, das nur freie Plätze hat, weil wir sehr früh dran sind. Ein Kellner und zwei Kellnerinnen ziehen eine super Performance durch, die ein- und ausgehenden Leute sind heiterer Laune, die Tapas wirklich von hervorragender Qualität und der Wein grad auch. Vor der Gelateria bilden sich Schlangen wie die gutenbergschen im Hof des Fürstbischofs von Elteville. Da hatte der Herr eingangs Koblenz schon recht: Das Eis schmeckt vorzüglich.

Auf der Terrasse des Kleinen Riesen, den Blick auf und über den Rhein gerichtet, sagten wir uns dann Stunden später, dass Koblenz eine wirklich sehenswerte Stadt sei und wir wieder mal daher zurückkehren möchten. Für ein Wochenende vielleicht. Und zwar im Kleinen Riesen.

64 Kilometer

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