Rastatt – Speyer: Wir verlassen für eine Weile das Radwegnetz und fahren auf Vorortsstrassen in ein Karlsruher Quartier. Mit der Fähre wechseln wir das Rheinufer und steuern Speyer an.
Beim «Rheinblick» führt eine Fähre hinüber nach Leimersheim
Das Frühstücksbuffet im Hotel Schiff zu Rastatt ist rund um den Kachelofen angeordnet und sehr reichhaltig. Die freundliche Frau, die uns gestern im Regen so liebevoll empfangen hat, ist nicht da. Das anwesende Personal setzt sich sozusagen aus drei Frauen zusammen,von denen eine die Chefin zu sein scheint. Aber die Hierarchie verändert sich andauernd. Als Frühstücksgast muss man raten, ob es erstens eine Hierarchie gibt und – wenn ja – wie sie gestaltet sein könnte. Obwohl wir früh dran sind, scheinen die meisten Gäste schon gefrühstückt und das Hotel verlassen zu haben. Viele sind Handwerker oder Monteure – mit zweien haben wir geplaudert. Sie sind aus Niederbayern und richten eine Mercedes-Garage ein.
Allerhand deutsche Nachrichten
Ein sehr beleibter Herr kommt nach uns in die Gaststube und setzt sich genau unter den Bildschirm, in dem das MoMa läuft – das Morgennmagazin. Dort berichten die Korrepondenten ausführlich über den Bundesverfassungsschützer Massen, den die SPD nicht mehr will, weil er die Fremdenhetze in Chemnitz verharmlost. Zu Wort kommt ausführlich der bubengesichige Juso-Chef Kevin Kühnert, der sehr dezidiert und nachvollziehbar erläutert, warum Massen nicht mehr tragbar sei. Einer von der CDU glaubt, die Krise sei nicht so gross, wie sie von der SPD gezeichnet werde. Aber man merkt schon, dass er Massen nicht gross verteidigen mag. Der dicke Mann unter dem Bildschirm trinkt den Kaffee in kleinen Schlucken und blickt ständig erwartungsvoll zur Tür, weil er wahrscheinlich auf seine Frau wartet, die ebenfalls frühstücken wird. Manchmal begegnen sich unsere Blicke, wenn ich wieder auf den Bildschirm schauen will. Er fühlt sich unbehaglich an seinem Platz, wo auf die Massen-Affäre eine Reportage über den Wahlkampf in Bayern folgt, ganz speziell ein Bericht über den schlechten Umfragewert der CSU. Mir ist es auch ein bisschen peinlich, zum Bildschirm hinzugucken, weil ich merke, wie es dem Mann darunter unangenehm ist, aber er hat sich irgendwie selbst in diese Lage gebracht. Als sie dann im Morgenmagazin davon berichten, die schwarz-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen habe die Baumhütten im Hambacher Forst neu eingeschätzt und bezeichne sie jetzt als Wohnhäuser, die schon deshalb geräumt werden müssen, weil sie keinen Notausgang besitzen, schaut der Mann auch schnell ungläubig in den Bildschirm. Dann kehrt das Morgenmagazn aus unerfindlichen Gründen zu Markus Söder zurück. Sein Gesicht glänzt im bayrischen Wahlkampf, als hätte es jemand mit einer Speckschwarte poliert. Er wirkt trotzdem nicht froh, auch wenn er zuversichtlich lächelt, denn er kennt die Umfrageergebnisse gewiss auch.
Endlich tritt die Frau des Mannes, der unter dem Bildschirm sitzt, in den Frühstücksraum. Sie ist noch dicker als er, hat sich aber schön herausgeputzt. Das hat eben seine Zeit gedauert. Als sie sich setzt, kommen die Wetterprognosen und die stimmen zuversichtlich. Aber es ist immer noch grau, als wir wegfahren. Ein kleiner Abstecher zuerst zum Barockschloss. Dort setzt sich Moni auf einen Kanone und lacht und sagt, es sei das erste Mal, dass sie auf einer Kanone sitze.
Der Himmel reisst nicht auf. Zeitweise nieselt es und wir ziehen uns auf dem Weg nach Karlsruhe die Pelerinen über. Alles den Überlandstrassen entlang vorerst. Kurz vor Karlsruhe fliehen wir vor einem Hupkonzert, das entsteht, weil ein Fahrschüler einer Vorortsbahn den Zug mitten auf einer wichtigen Kreuzung so zum Halten bringt, dass er den Verkehr nachhaltig staut. Da wir Monis Nichte Rahel besuchen wollen, fahren wir nicht auf einem Radweg, sondern direkt durch die Quartiere zu ihrer Wohnung. Sie wohnt im vierten Stock, im zweiten Stock lebt eine Künstlerin, die viel malt und ihre Werke im Teppenhaus aufhängt. Das wirkt sehr farbig und recht fröhlich und Rahels Wohnung hat einen ganz einnehmenden Charme. Sie empfängt uns mit der kleinen Selina auf dem Arm und wir plaudern und trinken einen Kaffee und sie sagt, das mit dem Charme sei schon okay, aber etwas weniger Täfer in der Wohnung wäre ihr auch recht.
Ofen macht Pause
Dann weist sie uns den Weg aus der Stadt, welcher durch viele Parks, dann Industrie und schliesslich auf einen Radweg nach Mannheim führt. Der Regen hat nicht viel genützt, das Flussbeet zeigt bis weit hinein die nackten Ufersteine. Es taucht das Ausflugsrestaurant «Rheinblick» auf und da werden Flammkuchen angeboten. Nun bricht die Sonne so richtig durch die Wolken und deshalb setzen wir uns an einen der Tische. Dummerweise macht der Ofen, in dem die Flammkuchen gebacken werden sollte, zur Zeit Pause, wie der freundliche Kellner sagt, und so entscheiden wir uns für einen Wurstsalat. Beim Essen fällt uns die Fähre auf, die ans andere Ufer nach Leimersheim fährt und da begeben wir uns dann drauf. Stundenlang radeln wir über fein geteerte, manchmal vornehm geplättelte Radwege und nehmen uns Speyer als Etappenziel vor. Moni braucht verschiedene Anläufe, um ein Zimmer zu finden und als wir dann an einer aufgebockten Hansa-Boeing beim Technikmuseum und am mächtigen Dom, der sich schon Kilometer zuvor hinter Wäldern gezeigt hat, vorbeifahren, merken wir, warum das mit der Zimmerreservation so schwierig war: Touristen, Touristen, so viele Touristen.
Das Zimmer hat kein richtiges Fenster, aber wir haben ein Dach über dem Kopf. Schlendern durchs Städtchen, trinken was und sehen, wie voll die Restaurants sind. Bei einem Thai essen wir ganz fein. Ein Schweizer hat seine eigene Thai aus dem Aargau mit einem Maserati oder so was ähnlichem hierher geführt und wird ihr morgen den Hockenheimring zeigen, wie er uns dann erzählt. Die Kellner machen sich ein bisschen lustig über ihn, scheint uns. Später beginnen sie mit der Thai-Begleiterin des Aargauers in ihrer Muttersprache zu reden. Manchmal kichern sie alle drei, die beiden Kellner und die Begleiterin. Vielleicht über den Aargauer.
75 Kilometer