Breisach – Strassburg: Wir wechseln das Rheinufer und fahren im Elsass dem Rhein-Rhone-Kanal entlang nach Strassburg in ein Hotel, das man nicht alle Tage aufsucht.
In immer neuem Licht zeigt sich der Rhein-Rhone-Kanal
Seltsame knisternde Geräusche wecken mich und dann geht ein Kerzlein an. Moni überrascht mich mit Geburtstagsgruss und -geschenk, was mich ausserordentlich freut und darüber hinweg tröstet, dass dieser Geburtstag insbesondere schon deshalb bedenkenswert ist, weil ich ab sofort ein Grundeinkommen zugute habe, das man AHV nennt. Es treffen auf dem Handy auch erste Grussbotschaften gute Wünsche ein und wir setzen uns nach einer kurzen, intensiven Feier an den Frühstückstisch, dann aufs Velo und suchen die Wurstbude auf, wo wir gestern vom Rheinradweg abgebogen sind, um nach Breisach hineinzufahren.
Von dort schüttelt der Schotterweg dem Altrhein entlang die morgendlichen Gedanken arg durcheinander und als wir Sasbach näher kommen, sind wir uns wortlos einig, ins Elsass hinüber zu wechseln, weil dort laut Esterbauer-Radtourenbuch ein geteerter Weg dem Rhone-Kanal entlang führe. Der Übergang über den Rhein teilen wir mit rasenden 40-Tönnern, das Kraftwerk inklusive Schleusen wirkt weitaus bedrohlicher als das filigrane Werk bei uns in Birsfelden. Dann fahren wir ins Landesinnere bis Marckolsheim, wo an einem weitläufigen Kreisel ein Lidl liegt und dort kaufen wir Proviant. Leider ist nur eine Kasse offen und als wir endlich an der Reihe sind, scheint uns, wir hätten uns in diesem tiefkühl-klimatisierten Laden schon ziemlich erkältet.
Es ist ein heiteres Fahren auf dieser schmalen Strasse, die dem Kanal folgt. Alles geht irgendwie von selbst. Ein bisschen in die Pedale treten und der Fahrtwind bläst ins Gesicht. Das Wasser im Kanal steht reglos. Manchmal löst eine Mücke oder sonst was Ähnliches ein paar Ringe aus. Faulende Äste hängen ins Wasser, Zweige lassen die Schatten spielen und da und dort steckt ein gestürzter Baum schräg im Kanal. Schaut man genau ins grüne Wasser, sieht man Schatten sich bewegen, kleine flinke und grosse träge. Fische. Hin und wieder tun sich Lichtungen auf oder es weichen die Büsche und Sträucher auf der einen oder der anderen Kanalseite zurück und öffnen den Blick auf geerntete Äcker oder auf Maisfelder, die trocken und bräunlich-grau den Weg säumen. Unter Apfelbäumen liegen Teppiche von runtergefallenen Früchten, bei Zwetschgenbäumen auch und diese gären still vor sich hin. Wir sind jedes Mal froh, schliesst sich der Wald dem Uferstreifen entlang wieder, weil es kühler wird.
Fischer reden nicht
Der Kanal weckt immer neue Bilder – verwunschene Märchenflüsse, manchmal Bilder aus Zeiten, als hier reger Warenverkehr durchging. Immer wieder Schleusenhäuschen – die einen zum Wochenendhäuschen ausgebaut, andere offensichtlich bewohnt, wieder andere verlassen. Wir fragen uns, ob da noch Boote durchfahren und kennen die Antwort nicht. Dann stehen drei Fischer am Kanal. Sie halten ihre Ruten ins Wasser. Ich stoppe und sage «Bonjour, messieurs» und einer sagt «Bonjour, Monsieur». Ich frage, ob da noch Boote fahren. Er sagte «Non». Ich fragt, ob die Schleusen noch funktionstüchtig seien. Er sagt «Non». Dann fahren wir weiter und Moni sagt, Fischer seien nicht zum Reden hier, sondern zum Fischen.
Bei Bindernheim verlassen wir für eine kurze Mittagspause den Radweg. In einer Waldlichtung mit einem Karpfenteich essen wir die Baguette und den Käse, trinken das Wasser und legen uns nachher unter einer Birke hin, um ein bisschen zu schlafen.
Später, beim Weiterfahren, kommen Boote entgegen. Ein Stück weit von Strassburg her ist der Kanal also doch noch befahrbar. Die Schleusen scheinen noch zu funktionieren. Es brennen auch Ampeln, die den Booten anzeigen, dass eine geschlossene Schleuse vor ihnen steht. Es schwimmen sogar prächtige Yachten mit recht gut gebräunten und ziemlich dicken Männern und Frauen auf dem Kanal. Einmal stinkt es nach Dünger. Wir durchqueren erste Industriegebiete. Einige Kilometer vor Strassburg beginnt eine wunderprächtige Platanenallee, den Kanal zu säumen. Ein junger Schwan baggert seinen Schwarm an, obwohl sein Kleid noch grau ist. Ein herrliches Fahren. Dann noch einmal Schotterweg und prompt beginnt mein vorderes Schutzblech zu lottern.
Gespräche im Café Vélo
In der Petite France fahren wir in Strassburg ein, an einem Velogeschäft vorbei, wo ich den Schaden zu beheben gedenke. Die wollen uns aber nicht und schicken mich ins Café Vélo, wo zwei junge Männer eine gute Geschäftsidee umgesetzt haben. Kleine Veloschäden beheben, dazu etwas zum Trinken servieren und über Politik, Geografie, Import-Export und den Wert des Euro im Vergleich zum Schweizer Franken diskutieren.
Es folgt die nächste Geburtstagsüberraschung: Moni hat im «Les Haras» ein Zimmer reserviert. Und das ist nun wirklich ziemlich nobel. Draussen fläzen schöne Leute in riesigen Sofas, und die Angestellten sind trotz unserer seltsamen Aufmachung äusserst zuvorkommend. In der Stadt sind so ganz andere Leute unterwegs als gestern in Breisach. Elegant gekleidete Geschäftsmänner und -frauen aus aller Welt, Studentinnen und Studenten, Touristen natürlich. Sie fotografieren die Fachwerkhäuser, die Brücken über die Kanäle, das Münster natürlich. Jeder Stuhl in den Restaurants ist begehrt. Viele sind reserviert: der Libanese hat keinen Platz mehr frei, der Italiener auch nicht, die Franzosen sowieso nicht. Und irgendwann erfahren wir den Grund. Es ist Session des Europaparlaments. In der Rue du Paon offeriert uns ein Kellner von der Villa Casella einen Tisch und fragt nach unseren Wünschen. Das Essen ist vorzüglich und dann ist Sitzungsschluss im Parlament. Es eilen haufenweise Männer und Frauen in schlecht und weniger schlecht sitzenden Anzügen durch die Strassen, besetzen die reservierten Tische und reden laut. Hinter uns macht sich ein Brite bemerkbar, dem der Brexit wichtig ist. Ein bisschen ist er dafür, aber immer dann, wenn ihn die begleitenden, nicht aus England stammenden Damen necken, ist er ein bisschen dagegen.
78 Kilometer