Kirschen gibt’s fast keine, Zwetschgen auch nicht, und wie das mit den Reben wird, sehen wir dann im Herbst. Der Ausfall ist immens, die Schäden gehen in die Millionen und die Polen gucken in die Röhre.
Mumien für den polnischen Adler und sonst nichts
Am 20. und 21. April war es, als ein jahrhundert-rekordmässiger Frost die Obstkulturen im Baselbiet vernichtete, und flugs rechneten die Bauern und ihre Fachstellen und ihre Organisationen und die staatlichen Ämter aus, was das in Franken zu bedeuten hat. So bei 19 Millionen pendelten sich die Schätzungen ein – ganz genau kann so etwas niemand berechnen. Man fischt da ein bisschen im Trüben.
Wer über die Felder geht in diesen Tagen, wird mühelos feststellen, das schon was dran ist an diesen furchtbaren Meldungen vom April. Es gibt keine reifen Kirschen zu sehen oder jedenfalls fast keine. Es stehen auch keine Leitern an den Bäumen wie sonst um diese Jahreszeit. Es lohnt sich gar nicht, sie hinzustellen, um zu den paar Kirschen hochzukraxeln. Die Bauern und Bäuerinnen und ihre Kinder und Tanten und Grossväter bleiben unten.
Und die Polen auch. Sie bleiben in Polen. Seit einigen Jahren pflücken sie die Kirschen, weil sich ein Bauer nicht mehr leisten kann, Erntehelfer aus der Schweiz zu bezahlen. So reisen die Pflücker aus dem Polenland heran, erhalten Kost und Logis und am Schluss einen Lohn und dafür ernten sie Kirschen: Tafelkirschen, Konservenkirschen, Schnapskirschen. So an die 500 polnische Erntehelfer sollen es schon sein, die da jeweils im Baselbiet zupacken, sagt ein Fachmann aus dem landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain in Sissach.
„Nächstes Jahr gern wieder …“
Sie sind nun daheimgeblieben. Ein grosser Teil von ihnen jedenfalls. „Nächstes Jahr gerne wieder, aber heuer gibt’s nichts zu ernten“, habe man ihnen mitgeteilt. Und während der Jammer der Bauern über den Ernteausfall unser Mitleid erweckt und die Behörden Wege und Mittel suchen, um aus irgendwelchen Kassen Linderung zu verschaffen, denkt natürlich niemand an die Polen. Sie sind uns halt nicht so nah wie die Bauern. Rein geografisch gesehen sowieso nicht. Aber dass der hiesige Frosteinbruch im April Auswirkungen bis nach Polen hat, sei doch auch mal erwähnt.
Denn all die polnischen Freunde, die eigentlich nur ein paar Wochen kommen wollten, um gutes Kirschengeld zu verdienen, haben Pech gehabt. Ein Bauer, der heuer gar nichts zu ernten hat, erzählt, dass er auf seinem Hof sonst zehn anheuert. Jetzt aber wegen der Ernteausfälle keinen. Und während man ausgerechnet hat, dass der vom Frost angerichtete Schaden 19 Millionen Franken hoch ist, weiss man nicht genau, wie hoch der Lohnausfall für die Polen ist. Auch da fischt man im Trüben, wie die Fachleute sagen. Dabei wäre das irgendwie noch interessant zu wissen – nur schon, weil man die Lohnausfälle vom Schaden abziehen könnte, bevor man dann die Entschädigung für die Ernteausfälle berechnet. Denn diese Ausgaben konnten sich die Bauern in diesem Jahr sparen. Polen, die daheim bleiben müssen, puffern sie ab.
Manchmal auch Mumien
In Muttenz gibt’s dennoch ein paar Kirschen zu kaufen. Es hat sich zwar auch hier nicht gelohnt, eine grosse Schar von Erntehelfern zu engagieren, die die vereinzelt herumhängenden Kirschen einsammelten, sagt eine Bäuerin. Sie hat einen Tschechen, der das macht. Sie teilt sich den Tschechen mit anderen Bauern. Er pflückt hier ein bisschen und dort ein wenig. Kaum der Rede wert, was da zusammenkommt. Manchmal muss er auch die Mumien runterholen. (Mumien – das sind die erforenen oder von der Essigfliege verunstalteten Früchte, die vor sich hinfaulen und den Obstkulturen schaden, weil sich Schädlinge einnisten können.)
Auf dem Blauen oben haben wir für die Dornacher Destillerie Zeltner rund eine Tonne Kirschen gefunden. Wenigstens das. Was der Jahrhundertfrost für Zeltner bedeutet, der zu 70% vom Lohnbrand lebt, kann man sich leicht vorstellen.
Kurzer Schreibe langer Sinn: Mit Aktien à 250 Franken kann Zeltner die Durststrecke überbrücken.