«Hat sie geheiratet Albaner»

Eine gebürtige Kosovarin erzählt einem Schweizer, wie lange ihre Schwiegersöhne ins Militär müssen.

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Ins Gespräch kamen wir nur, weil der Frau im Zugsabteil vis-à-vis bei einem abrupten Bremsmanöver die Wasserflasche von der Ablage purzelte, auf mein Knie fiel und die Hose nässte. Es war ihr sehr peinlich, so peinlich, dass ich mich gezwungen fühlte, die Sache schon fast als meinen Fehler abzutun, weil mein Knie im Wege war. Oder weil ich mir herausgenommen hatte, mich ihr gegenüber hinzusetzen. Aber es hatte sonst nicht viele freie Plätze. Jedenfalls tauschten wir so viele Entschuldigungen aus, dass das Gespräch, das ohne das Missgeschick mit der Wasserflasche gar nicht in Gange gekommen wäre, einfach so seinen Fortgang fand.

Sie sprach gebrochen deutsch, auch wenn sie schon über fünfundzwanzig Jahre in der Schweiz lebt, damals aus einer Stadt in der Nähe von Pristina eingewandert war und zwar deshalb, weil sie einen kosovarischen Landsmann geheiratet hatte. Dieser hatte seine Heimat ein paar Jahre früher verlassen, hatte einen Job gefunden, sehr gut Deutsch sprechen gelernt, wie die Frau erzählt, vor allem, weil er anfangs als Kellner arbeitete – bis ein Türke das Restaurant übernommen habe. Ein Türke und ein Albaner können nicht gut zusammenarbeiten, sagte die Frau.

Fotos von den Kleinen

Dann berichtete sie, dass sie seit ein paar Jahren schon Schweizerin sei, sie und ihre ganze Familie – zwei Töchter und ein Sohn. Beide Töchter sind nach der Heirat von Basel nach Zürich gezogen, beide haben kleine Kinder. Die Frau zeigte mir auf ihrem Handy Fotos von den Kleinen. Beide Töchter haben einen Albaner geheiratet. Da sei sie wohl froh, sagte ich. Sie zuckte mit den Schultern und schaute mich etwas misstrauisch an und irgendwie schien das Gespräch mit meiner Bemerkung zu enden.

Sie schaute eine Weile zum Fenster hinaus, gab sich dann einen Ruck und sagte, von ihr aus hätten sie auch Schweizer heiraten können. Sie und ihr Mann hätten da gar nichts dagegen gehabt. Weiter erzählte sie, dass die jüngere Tochter immer gesagt habe, sie heirate nie einen Scheiss-Albaner und das habe sie erst recht immer wieder wiederholt, nachdem ihre ältere Schwester einen Albaner heimgebracht habe. «Jetzt», sagte sie und lachte, «hat sie geheiratet Albaner.»

Die Frau fuhr nach Zürich, um ihren beiden Töchtern zu helfen. Beide hätten die Grippe erwischt und lägen im Bett und ihre Männer seien weg. «Militär», sagte sie und schaute ganz bekümmert. «Ui, wie lange dauert denn so ein Militärdienst?» fragte ich und stellte mir ganz spontan zwei junge Männer in einer kosovarischen Kaserne vor, die hin und wieder ein MMS-Bild von ihren Kindern aus der Schweiz erhalten. «Wie lange?» wiederholte sie fassungslos, weil ich das offenbar nicht wusste, und dann: «Zwei Wochen, drei Wochen. Ist normal. Jedes Jahr. Ist normal in der Schweizer Armee.»

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