Grunder-Schorsch hat umgesattelt

Wo einst Setzlinge wuchsen, stehen jetzt Grunder-Traktoren und andere Maschinen: In seinem Gewächshaus in Hölstein hat der pensionierte Gärtner Georg Jäggin eine Sammlung alter Einachser und Traktoren aufgebaut, die den Alltag des Bauernstandes im letzten Jahrhundert dokumentiert.

Grunder-Schorsch 2Grunder-Schorsch geht auch mal fremd: Hier auf einem alten «Bucher», den ihm seine Frau geschenkt hat

«Haben Sie dieses Übel auch?» fragt Lotti Jäggin am Telefon und lacht. Sie ist die Gattin vom Grunder-Schorsch und was sie im Scherz als «Übel» bezeichnet, ist die Leidenschaft ihres Mannes, alte Landmaschinen zu sammeln. Aber sie zeigt sofort Verständnis für das Anliegen des Journalisten, sich die Sammlung anzusehen: «Ein Mann muss ein Hobby haben.»

Bereits am Tag nach dem Telefon steht Grunder-Schorsch bereit, öffnet das Tor seines Gewächshauses, in dem zwar durchaus auch Gemüse- und Blumensetzlinge wachsen. Aber nur noch im vorderen Teil. Im hinteren, viel grösseren Bereich stehen seine alten Landmaschinen.

Grunder-Schorsch heisst nicht Grunder. Er heisst Jäggin, wie seine Frau. Georg Jäggin. Grunder-Schorsch ist sein Übername, den er seiner Sammlung von Landmaschinen zu verdanken hat. Sie besteht zu einem grossen Teil aus Grunder-Traktoren und Grunder-Einachsern. Grunder-Schorsch ist ein Grunder-Fan.

Grunder-Schorsch 4Vor allem Grunder-Traktoren stehen in der Sammlung

Grunder-Schorsch 3Aber auch andere Grunder-Maschinen

Begonnen hat das alles mehr oder weniger zufällig. Georg Jäggin, Jahrgang 1933, lernte nach dem Zweiten Weltkrieg Gärtner, übernahm den Betrieb des Vaters im Baselbieter Dorf Hölstein und half während der Sommermonate, wenn die Setzlinge verkauft waren, bei einem Transportunternehmer als Lastwagenchauffeur aus. Die entsprechenden Ausweise hatte er sich als Motorwägeler bei der Armee erworben. Nicht nur das: Als Mot-Fahrer eignete er sich auch die Grundkenntnisse eines Mechanikers an und lernte, alte Motoren und Getriebe wieder in Gang zu setzen.

Alte Rosthaufen

Im Jahr 1980 wartete auf die Gärtner der Nordwestschweiz eine besondere Herausforderung. Die «Grün 80» in Basel, eine nationale Gartenbauausstellung, stand vor der Tür, und das Gelände in der Brügglinger Ebene musste bewirtschaftet werden. Jäggin half mit, sammelte in allerlei Gartenbaubetrieben Blumen ein und dabei fiel sein Blick immer wieder auf alte Rosthaufen, die irgendwo in einer Ecke herumstanden. Sie weckten in Jäggin nicht einfach Erinnerungen an seine Jugend wach, sondern auch den Wunsch, sie zu erhalten.

«Eigentlich war dieser Gerümpel für den Alteisenhändler vorgesehen, und deshalb konnte ich ihn umsonst mitnehmen», erzählt er. Seine erste Errungenschaft war eine Bodenfräse der Marke Grunder – eine Marke, die aus der Region stammt. Es war die gleiche Maschine, mit der sein Vater in den Dreissiger Jahren gefuhrwerkt hatte. «Er hatte sie jeweils auf einen Wagen geladen, ist mit einem Ross zu den Bauern gefahren und hat die Böden gefräst», erinnert er sich.

Es war sein Ehrgeiz, die Fräse wieder zum Laufen zu bringen, und er schaffte es. Er gelang ihm auch mit einer zweiten; er entwickelte ein Auge dafür, wo weitere Vehikel vor dem Alteisenhändler gerettet werden konnten. Und es sprach sich herum, dass Grunder-Schorsch Maschinen sammelte. Mittlerweile stehen über vierzig Fräsen, Mähmaschinen, Einachser, Pflüge, Traktoren im Gewächshaus. Nicht nur Grunder. Ein Rapid steht da, ein Bungartz, ein Simar, ein Aebi, ein Hummel – zwei alte Bucher-Traktoren. Den einen hat ihm einst seine Frau zum Geburtstag geschenkt und ihm damit bezeugt, dass sie sehr grosses Verständnis für seine Leidenschaft aufbringt.

Geschichten aus alter Zeit

Zu jeder Maschine seiner Sammlung weiss Grunder-Schorsch eine Geschichte zu erzählen. Bei der Fräse aus dem Jahr 1922 bleibt er besonders stolz stehen. Es ist sein ältestes Sammelstück und er berichtet, wie in seiner Jugendzeit noch viele Bauern mit Pferd oder mit einer Kuh ihre Pflüge und anderen Geräte über die Äcker gezogen hatten. Aber: «Wenn die Kuh nicht mehr mochte, hat sie sich niedergelegt und das Ross ist einfach stehen geblieben. Da war man mit einem Motor schon besser dran.» Eine nächste Fräse ruft Erinnerungen an die Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg hervor. Grunders-Schorschs Vater hatte pro Monat 20 Liter Benzin zugute. Das reichte natürlich nirgends hin. Deshalb half man sich mit «Emserwasser» – einem Treibstoffzusatz aus Ethanol – aus und das schadete den Motoren.

Unversehens schwingt sich der 82-jährige auf einen Grunder-Traktor, lässt den Motor anspringen und erzählt, dass dieses Fabrikat besonders viel Öl verbrenne und deshalb ständig ein blaues Wölkchen mit sich ziehe. «Es gefällt den Wanderern nicht, wenn ich mit diesem Traktor durch die Landschaft ziehe.»

Das Geknatter, Gedröhne, manchmal das Gesäusel der Motoren ist beeindruckend. Grunder-Schorsch liebt diese Musik, man sieht es ihm an. Die Landmaschinen, sagt er, gehörten zum Kulturgut des Bauernstandes und zur Geschichte des letzten Jahrhunderts. «Wie die Menschen damals mit ihren technischen Möglichkeiten diese Maschinen konstruiert haben, weiss eigentlich niemand mehr so richtig. Da sind Wunderwerke herausgekommen, die erhalten bleiben sollten, damit auch spätere Generationen noch sehen können, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dem Land gearbeitet wurde. Man muss den jungen Leuten doch zeigen können, wie diese Motoren und Maschinen entwickelt wurden.»

Der Siegeszug der Traktoren und anderer Landmaschinen startete vor rund hundert Jahren, als es dem amerikanischen Autopionier John Ford gelang, diese mit einem Verbrennungsmotor statt der bisherigen schweren Dampfmaschinen anzutreiben. Ab 1917 wurden die sogenannten «Fordson» in Serie hergestellt. Bereits drei Jahre später bauten die Deutschen erste Traktoren namens «Lanz Bulldog». Gegen Ende der 1920er Jahre entstanden die ersten Traktoren in Schweizer Fabriken – Hürlimann und Bührer etwa. Es folgten weitere: Bucher zum Beispiel, Vevey oder eben Grunder.

Organisierte Sammler

Viele der alten Landmaschinen sind nur noch in Museen zu sehen. Ebenso stark wie die Museen sorgen in der Schweiz aber Sammler und Tüftler wie Grunder-Schorsch dafür, dass das Kulturgut alter Traktoren und alter Landmaschinen erhalten wird. Auch wenn sie alle eigensinnige Charaktere sind, so finden sie immer wieder zusammen und treffen sich, um Erfahrungen auszutauschen, sich Erkenntnisse anzuvertrauen und um zu fachsimpeln. Sie haben sich zusammengeschlossen im «Verband Freunde alter Landmaschinen». Zehn Sektionen aus allen Gebieten der Schweiz und 4800 Mitglieder zählt der Verband, die Zeitschrift «alte Landtechnik» informiert über das Verbandsgeschehen.

Grunder-Schorsch 1Allerhand Auszeichnungen für den Oldtimer-Sammler

Grunder-Schorsch ist Mitglied der «Falnowe», der «Freunde alter Landmaschinen Nordwestschweiz». Er schätzt es, sich immer wieder mit Kollegen und Freunden, die sein Interesse teilen, zu treffen und sich auszutauschen. Höhepunkte sind die Ausfahrten auf alten Traktoren. Vier Mal ist er schon den Gotthardpass hinaufgefahren, die Erinnerungsmedaillen der Fahrten bewahrt er stolz auf. Es gehe bei diesen Treffen der Freunde alter Landmaschinen nicht nur um Kameradschaft, sagt er. Man sei auch bestrebt, das Wissen zu vertiefen und die Tradition an Jüngere weiterzugeben. Manchmal würden auch Wettbewerbe organisiert und mit einem Postenlauf verbunden. Da müsse man zum Beispiel an Flüssigkeiten riechen und feststellen, um was es sich handle: Benzin, Diesel, Hydrauliköl … Es sind umtriebige Burschen, die Freunde alter Landmaschinen. Fast jedes Wochenende steht irgendwo in der Schweiz ein Treffen an. Und wenn kein eigenes auf dem Terminkalender steht, besucht man gern auch Anlässe befreundeter Organisationen.

3 Gedanken zu „Grunder-Schorsch hat umgesattelt

  1. Grüezi Schorssch. Tolle Sammlung haben Sie da. Hatte auch mal einen Grunder, lange her. Jetzt habe ich als Hobby einen Hürlimann D70.
    Heute wurde mir jedoch etwas gezeigt, das ich bisher nicht kannte, einen Simar.
    Können Sie mir sagen, ob es sich lohnt, einen solchen Traktor zu kaufen und zu restaurieren? Lohnt sich das?
    Besten Dank und freundliche Grüsse,
    Valentin

    1. Hallo Georg
      ich habe eine fotokarte gefunden mit abbildung der erste grunder grund frase in demonstration in belgien 1913 der fahrer var eduard brand ingenieur aus bergholtz- zell im elsass
      mochten si eventuel eine kopie ware ok
      bitte mail senden
      MfG
      Patrick F

  2. Mein Vater, Hans Ruflin, Posthalter, hat 1946 einen Grunder-Einachser gekauft mit Anbaupflug, Frontmesserbalken und Bodenfräse, als zweites Exemplar in unserm Dorf Oeschgen, noch mit schmalen Antriebsrädern. Bald hatte es aber immer mehr Bauern überzeugt, Solche und neuere Modelle anzuschaffen, ein richtiges Grunder Einachserdorf. Herr Senn von Grunder Binningen machte anfangs den jährlichen Service, unter meiner genauesten Beobachtung als 3- Jähriger Fan von ihm. Später war die jährlich Revision meine Aufgabe, mit der aufmerksamen Beobachtung von Herrn Senn’s Arbeit. Fridolin Jegge- Zundel besass zu dieser Zeit als Einziger einen silbrigen Grunder 35PS- Traktor.

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