So fährt es sich auf deutschen Velowegen

Birsfelden – Breisach: Wir starten unsere Velotour entlang des Rheines an einem sonnigen Dienstagvormittag und wissen noch nicht ob die Strecke nach Breisach, wo wir ein Hotelzimmer reserviert haben, zu kurz oder zu lang bemessen ist.

Blick zurück nach Basel vom Restaurant Bootssteg

Ins Restaurant Bootssteg sind wir nur eingekehrt, weil es so nah am Rhein liegt und der Rhein so plötzlich vor uns aufgetaucht war. Es war kurz vor Mittag, Hunger hatten wir keinen und deshalb bestellten wir einen Kaffee. Drei Männer sitzen etwas weiter hinten im Schatten und schwatzen Blech zu Wellblech, wie man so sagt. Dann bestellt einer was Kleines zu essen und der zweite auch und der dritte sagt: «Nein, ich esse heute nicht viel.
Gestern habe ich zuviel gefressen. Die Alte hat dann noch Crémeschnitten gemacht und am Schluss het si mr no Schoggi in d‘Schnurre gsteggt.»

Alles auf Baseldeutsch, bereits auf Badischem Boden, auf diesem schönen Fleck, wo an den Anlegestellen vorn im Wasser Boote angebunden sind. Motorboote, auf denen da und dort Männer stehen oder kauern oder sitzen – und arbeiten. Sie schleifen eine Stelle glatt, sie streichen Farbe drauf. Oder sie spritzen ihr Boot einfach mit Wasser ab, damit es sauber wird. Was immer sie tun – bei diesem ausserordentlich warmen Septemberwetter bringt es sie zum Schwitzen und über kurz oder lang kommen sie ins Restaurant Rhyblick, ruhen sich aus und trinken etwas.

Nachdem wir das von der Schoggi gehört haben, die die Alte dem Kerl dort hinten am Tag zuvor in d’Schnurre gesteggt het, müssen wir ein bisschen lachen und beschliessen dann weiterzufahren. Wir sind spät aufgebrochen in Birsfelden, um die vier- oder fünfhundert Kilometer auf unseren Velos nach Koblenz zu fahren. Erst etwa um elf. Vorher haben wir die Pflanzen im Garten gegossen und solche Sachen. Dann – mit satt gepumpten Rädern – über die Eisenbahnbrücke in der Breite, durchs Kleinbasel dem Rhein entlang, am Inselschulhaus vorbei, wo im Gegenlicht eine hagere grauhaarige Frau, wahrscheinlich eine Lehrerin, mit einem Schüler schimpft, durch die vertrauten Strassen in Kleinhünigen, am Ostquai vorbei und allmählich in die Welt der global oder zumindest europaweit tätigen Logistiker mit all den Hallen und Lagerplätzen und stehenden oder langsam fahrenden Camions. Irgendwo im Schatten einer Baumgruppe trinkt eine Roma-Familie den Frühstückskaffee, ein Mann, der seine zu weite Hose an Trägern an den Schultern aufgehängt hat, führt einen hellbraunen, nicht ganz reinrassigen Dackel spazieren. Dann sehen wir die Abzweigung für Radfahrer, fahren den Schotterweg entlang, den der Wegweiser empfiehlt und kommen eben zu diesem Restaurant Bootssteg.


Zwischen Autobahn und Altrhein

Der Schotterweg bleibt uns erhalten, als wir den Kaffee im Bootssteg bezahlt haben – das ist zuerst mal beruhigend. Man möchte ja nicht tagelang auf solchen Schotterwegen zwischen Eschen und Buchen und Götterbäumen fahren, auf der einen Seite das Rauschen der mehr oder weniger nahen Autobahn von Karlsruhe nach Basel, auf der anderen Seite den stillen Altrhein. Aber jetzt, am Anfang unserer Reise, ist es einfach nur schön. Wir holpern rassig voran, immer so leicht über zwanzig Kilometer pro Stunde auf dem Tacho, irgendwann haben wir Durst und auch ein bisschen Hunger. Wir stoppen bei einem schönen Bänklein, essen und trinken, was Moni zuhause eingepackt hat und setzen die Fahrt fort. Manchmal stehen die Bäume dichter, fliesst das Wasser näher, biegt der Weg aus nicht nachvollziehbaren Gründen in den Wald ein, macht seltsame Kurven, wieder zurück an den Altrhein, führt neben dem Damm hinab oder wieder hinauf.

Es wäre schön, würde wieder mal ein Restaurant Bootsteg auftauchen, aber es gibt nichts dergleichen. Wir hätten es uns gewünscht, um ein bisschen auszuruhen, durchzuatmen, später, um den Durst zu löschen, nochmals später alles zusammen, aber es taucht nichts in dieser Art auf. Manchmal kommen uns Radfahrer, selten Wanderer, entgegen. Aber kein Restaurant oder so. Und wir haben ziemlich Durst. Wir geloben, künftig immer eine Flasche Wasser dabei zu haben. Aber wir finden die Velofahrt schön. Nur, so denken wir und sagen es uns auch: Sie wäre noch schöner, wenn wir jetzt was trinken könnten. Manchmal sehen wir aufs Wasser des Rheins, aber das können wir natürlich nicht trinken, auch jenes aus den Bachläufen nicht, die wir manchmal überqueren. Aber gern würden wir es irgendwie schon tun, denn wir haben unterdessen ziemlich sehr, sehr Durst. Dann nähert sich eine Umleitung. Der Weg bleibt holprig und der Wald wird irgendwann lichter.

Kurz: Nach etwa fünfzig Kilometern geht der Schotterweg in ein Teersträsschen über. Wir rasen dorthin, wo Sonnenschirme stehen. Eine Wurstbude in Breisach, jawoll. Und dort bestellen wir je ein grosses Glas Wasser und trinken es beide sozusagen in einem Zug leer. Dann fahren wir hoch ins Städtchen, unter dem mächtigen Stephansmünster vorbei, auf der Suche nach dem Hotel Breisacherhof, wo Moni ein Zimmer reserviert hat. Der Weg ist nochmals etwas beschwerlich, weil die Breisacher ihren Zentrumsplatz zur Zeit umbauen und neu und schön gestalten.

Die Gastgeber im Breisacherhof sind sehr freundlich, die Velomechaniker beim «Schweizer» – so heisst das Fachgeschäft nun eben mal – ebenfalls. Mit badischem Charme bezeichnen sie den modernen Antriebsriemen, der Monis Bike anstelle einer Kette antreibt, als «Glump». Sie sehen auch nicht ganz ein, warum man dem Rhein entlang bis Koblenz fahren wolle. Um den Kaiserstuhl herum sei es auch schön. Und während wir später ein Bier und ein Weissweinschorle trinken, erörtern wir den Wandel des sprachlichen Ausdrucks, den wir auf den siebzig Kilometern vom Restaurant Bootssteg – wo einem die Alti Schoggi in d‘Schnurre steggt – nach Breisach beobachten können. Wir haben uns in einem Breisacher Strassencafé niedergelassen, in das sich zwei gestandene Damen aus dem Ort ebenfalls setzen. Sie bestellen zum Feierabend eine Erfrischung, fordern die Zeitung an und rauchen ihre Zigaretten. Nach der Lektüre legen sie das Blatt zur Seite und besprechen die Organisation eines Anlasses, die eine mit rauchiger Stimme, die andere mit zustimmendem oder ablehnendem Knurren, je nachdem. Da kommt eine Kollegin, Gertrude, des Weges. Sie rufen sie an den Tisch und erkundigen sich, ob sie nun mit Beate gesprochen habe. Gertrude setzt sich, kramt in ihrer Tasche, klaubt eine Zigarette hervor, zündet sie an, nimmt einen tiefen Zug und sagt: «Ich habe mir das alles nochmals reiflich überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass man der Beate den Honig nicht derart um den Mund streichen soll.» Tönt hier in Breisach alles etwas vornehmer als am Morgen beim Bootssteg.

67 Kilometer

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