Wie Kunst entsteht

Plötzlich steht man in einer anderen Welt. Zwischen der Wintersinger Höhe und der Sissacher Fluh haben sich Installationen angesiedelt. Aber noch war vieles geheim, als ich diese kleine Reportage am 1. Mai geschrieben habe.

AussichtAussicht

Hoffentlich schifft’s dann nicht am 8. Mai, wenn all die Geheimnisse gelüftet werden sollen, die jetzt so bedeutungsschwer in der Landschaft unterhalb der Sissacher Fluh stehen. Oder entstehen.

Mauer

Zum Beispiel eine Backsteinmauer. Fünf Leute arbeiten daran, einer muss der Künstler oder die Künstlerin sein. Und einer ist ganz gewiss ein professioneller Maurer – so, wie der das Mauerwerk errichtet. Aber irgendwie sind sie nicht so gesprächig. Vielleicht weil die Zeit drängt, vielleicht, weil das Geheimnis noch eines bleiben muss. Sie sagen, dass sie den Namen des Kunstwerks nicht verraten.

Weiter oben Richtung Sissacher Fluh steht eine Hinweistafel, wie man sie auf Grossbaustellen sieht: «Landeplatz für unidentifizierbare fliegende Objekte». BautafelDas muss ein Scherz sein. Der Rentner aus dem Kanton Bern, der sich oben in der Beiz verköstigte, und jetzt seinen Ford angehalten hat Rentner Bernund ausgestiegen ist, lacht, weil man über einen Scherz lachen soll. «Was die alles machen», sagt er. Er fragt mich, ob ich ein Telefon dabei habe. Auf der Hinweistafel steht nämlich eine Telefonnummer. Ich wähle die Nummer, und ich werde mit einem Anrufbeantworter verbunden, auf dem mir die Künstlerin Susanne Fankhauser erklärt, dass diese Bautafel ihr Beitrag sei für die Ausstellung «Aussichten – Kunst im Gelände». Frau Fankhauser lädt mich herzlich ein an die Vernissage am 8. Mai. Ich sage dem Berner, er sei sicher auch eingeladen. Er sagt: «Wenn’s dann nur nicht schifft.» Er lacht noch einmal, steigt in seinen Ford und fährt talwärts.

KastenwagenEin anderes Auto fährt heran, ein kleiner Kastenwagen. Drinnen sitzen Künstler, wie sich herausstellt. Sie haben Gipsabdrücke – oder vielleicht ist es nicht Gips, sondern Kunststoff wegen der Witterung – heraufgebracht, die sie im Gelände installieren. Einer ist der Bildhauer Christian Kessler, der mir einen Flyer gibt, auf dem die Standorte von 27 Installationen eingezeichnet sind. Er ist gesprächiger als die Mauerkünstler. Kein Wunder, er ist einer der Initianten der Ausstellung. 70 meist regionale Künstler hat er zusammen mit Kitty Schaertlin und Peter Thommen angefragt, 27 Kunstwerke haben den Anforderungen genügt für die Aktion, die ein Jahr lang dauern soll.

Das Motto «Aussichten» drängt sich auf. Die Aussicht da oben ist grossartig – hinüber in den Schwarzwald, in die Vogesen, ins Schweizer Mittelland. Aber «Aussichten» ist auch im übertragenen Sinn gemeint. Nicht nur geografisch. Die Künstler mussten auch Gedanken aus sozialer, wirtschaftlicher, philosophischer, politischer oder naturbezogener Sicht umsetzen. «Auch aus philosophisch-politischer Sicht», sagt Kessler. «Das ist im Moment noch schwierig im Baselbiet», sage ich. Wir müssen lachen.

Später lese ich auf der Website der Ausstellung «Aussichten», dass der öffentliche Raum für das Oberbaselbiet etwa das bedeute, was für die Stadt Basel die Kunsthalle sei oder für das Unterbaselbiet das Kunsthaus in Muttenz. Die Umsetzung der Kunst im teils steilen Gelände von der Wintersingerhöhe quer durch Wiesen und entlang von Waldrändern auf die Sissacher Fluh fordert die Kunstschaffenden allein schon körperlich. Das steht auch im Text auf der Website.

Dank dem Flyer finde ich nun alle Kunstobjekte.

Ich komme auch nochmals an den Maurern vorbei. Schade, dass sie auch diesmal nicht mehr erzählen mögen. «Art in Progress» wäre doch fast noch spannender als dann nach dem 8. Mai die schweigenden Installationen.

Eine Schulklasse turnt an Kunstwerk 17 herum und lässt den gelben Hochsitz arg schaukeln.
Schulklasse

Irgendwo im Wald steht eine Videokamera.Videokamera Auf dem Flyer ist sie nicht eingezeichnet. Der grosse Holzhaufen beim Parkplatz auf der Fluh auch nicht.Holzhaufen Aber das Holzgeflecht in der Wiese, das noch zugedeckt ist, schon. Vielleicht ist es gar kein Holzgeflecht. Aber das, was hervorschaut, deutet darauf hin.

 

Ein Bauer wird vor dem 8. Mai einen Weg durch die Wiese mähen, damit man nicht durchs hohe Gras stapfen muss und alle Objekte gut findet.

Das sind Aussichten.

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